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Eine eiserne Umarmung

Bei Tennis Borussia Berlin ist der Investor Jens Redlich seit 2017 auch Vorstandsvorsitzender. Der Mann regiert autokratisch, lässt Unliebsame feuern – und liegt im Dauerkonflikt mit den Fans

Der Mann, der beim TeBe fast alles bestimmt: Jens Redlich Foto: Matthias Koch/imago

Von Alina Schwermer

Es ist ein kalter Dezembertag, Freitag der 14., als die Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia – kurz TBAF – versucht, von der Demokratie zu retten, was zu retten ist. In einem Schrei­ben fordert sie den Vorstand auf, „unverzüglich“ eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen. „Dass sich der Verein […] in einer schwierigen Situation befindet, ist kein Geheimnis“, schreibt das Fan-Gremium. Und richtig: Tennis Borussia, TeBe, der Verein, der zwei Insolvenzen hinter sich hat, zweimal mit dubiosen Großsponsoren in den Abgrund rannte, hängt erneut in der Abhängigkeit eines Autokraten fest. Rein sportlich sieht es zwar gut aus wie lange nicht, derzeit steht der Verein auf dem zweiten Tabellenplatz in der Oberliga Nordost. Doch der Erfolg wurde mit einem heftigen Preis bezahlt. Und das ist auch ein Symptom dieser hoch kapitalistischen Grauzone zwischen Profi- und Amateurfußball, in der sich TeBe bewegt.

Der Regionalligist BAK, der frisch insolvente Regionalligist Viktoria 89, der neue Siebtligist Berlin United, der darin aufgegangene, weil in Geldnöte geratene Club Italia: alle hängen oder hingen an einem mächtigen Großinvestor. Wer nicht gerade eine riesige Fanbasis hat, dem fehlen die Optionen.

Bei TeBe heißt der Mann, der fast alles bestimmt, Jens Redlich. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Fitnesskette Crunch Fit: seit 2016 Großsponsor, seit 2017 auch Vorstandsvorsitzender bei TeBe. Redlich will den derzeitigen Oberligisten wieder groß machen, und von Beginn an wünschte er sich „mehr Neutralität“ im links geprägten Verein. Dann höhlte der Mann, den andere als impulsiv und selbstüberschätzend schildern, die Demokratie wohl sukzessive aus.

Jens Redlich möchte sich auf taz-Anfrage derzeit nicht zum Thema äußern. In der Fanszene aber ist die Wut groß. Dass der Vorstand mit dem linken Teil der Szene fremdelt, ist nicht neu. Schon unter dem jetzigen Geschäftsführer und Redlich-Verbündeten Andreas Voigt gab es offenbar Streitigkeiten, auch da schon um die Regenbogenfahne oder Antifa-Banner. „Man hat in persönlichen Gesprächen mit Andreas Voigt gemerkt, dass ihm der Fan-Einfluss gar nicht so lieb war“, sagt Leander Günsberg, ehemaliges TeBe-Vorstandsmitglied. „Sinngemäß: Wir brauchen die ja jetzt nicht mehr so, wir schaffen das auch anders.“

Verein mit linker Fanszene

Tennis Borussia Berlin ist ein Berliner Traditionsverein, der 1902 als Berliner Tennis- und Ping-Pong-Gesellschaft Borussia gegründet wurde. Die 1. Herrenmannschaft hat in den 1970er Jahren lange zweite Bundesliga gespielt und sogar zwei Spielzeiten in der ersten Bundesliga. In den vergangenen Jahrzehnten litt TeBe häufig unter Geldnöten und ging zwei Mal insolvent. Maßgeblich die Fans retteten den Verein.

Die Fanszene ist bekannt für ihre linke Ausrichtung und war mit ihrem Engagement gegen Rassismus und Homophobie einer der Vorreiter im Fußball. Derzeit spielt der Klub in der fünftklassigen Oberliga und steht auf dem zweiten Tabellenplatz. (asc)

Tennis Borussia soll anschlussfähiger an den Mainstream werden. Angeblich aufgrund einer drohenden dritten Insolvenz steigt Jens Redlich zum Vorstandsvorsitzenden auf. Dass die wirklich drohte, bezweifeln mittlerweile einige. Damals hoffte mancher trotz Skepsis auf Redlich. „In der ersten Zeit als Sponsor hat er sich relativ zurückgehalten“, so Günsberg. „Er wirkte solide, jemand, der was aufbauen möchte. Sukzessive ist man immer tiefer in die Abhängigkeit gerutscht.“ Und dann beginnen Rauswürfe, die, so Günsberg, „schon Methode haben“.Auch Günsberg ist jetzt nicht mehr im Amt.

In den vergangenen beiden Jahren hat TeBe eine unübersichtliche Zahl von Entlassungen, erzwungenen Rücktritten und Demütigungen gegen Mitglieder des Aufsichtsrats, des Vorstands, der Jugendabteilung oder Fanvertretern erlebt. Einer aus dem engen Umfeld des Vereins sagt: „Redlich in seiner grenzenlosen Hybris verwechselt den Aufsichtsrat mit Untergebenen und begreift nicht, dass dieser dazu da ist, ihn zu kontrollieren.“ Und: „Wer ihm im Weg steht, fliegt nicht nur, sondern wird mitunter auch noch im Nachhinein diffamiert, ohne jeden Hauch von Anstand oder Fairness.“

Teilweise erregte das öffentliche Aufmerksamkeit. Wie der Rauswurf des Geschäftsstellenleiters Steffen Friede, dem unterstellt wurde, er habe Ausrüstungsgegenstände ohne Genehmigung bestellt. Friede ging vor Gericht und bekam recht: Der Vorstand musste einräumen, dass er die Vorwürfe „ausdrücklich bedauert“ – gut versteckt auf der Homepage, angeblich zwei Wochen zurückdatiert. Gefeuert ist auch der einflussreiche Jugendleiter Constantin Frost. Die Mädchenabteilung ist bereits komplett aufgelöst. Einer sagt: „Sie wurde ohne Not kaputtgemacht, der Fokus ganz allein auf den Erfolg der 1. Herren gelegt.“ Und Aufsichtsratsmitglied Martin Endemann musste zurücktreten, nachdem TBAF abgelehnt hatte, für den Vorstand eine Saisoneröffnungsfeier auszurichten. Persönlich beleidigt soll Redlich an Endemann geschrieben haben: „Ich erwarte Deinen Rücktritt bis heute 22.00 Uhr. Sollte dieses nicht erfolgen tritt der Vorstand geschlossen zurück.“

Die Existenz des Vereins aufs Spiel zu setzen, weil jemand keine Feier für ihn ausrichtete, war die bis dahin bizarrste Volte eines Mannes, der sich auch schon mal selbst auf die Trainerbank setzt, wenn der Trainer krank ist – denn wer sollte das besser können als Jens Redlich? Im Zuge des Streits über Endemann postet der Investor persönlich eine Nachricht an kritische Fans ins Fanforum, die endet mit: „Der Verein wird durch Euch in die Position des Scheiterns gebracht. Der Verein braucht Euch nicht.“ Deutlicher kann man seine Haltung kaum machen.

Der Aufsichtsrat ver- sucht offenbar mittler- weile durchaus, Redlich stärker zu kontrollieren

Nicht alle aber stören sich an Redlich. Immer wieder hört man, die konservativen Kräfte im Verein hätten jetzt Aufwind. Und der sportliche Erfolg, für viele am wichtigsten, ist da. Auch viele, die Redlich kritisch sehen, wollen übrigens einen Investor. Jemanden, der die Fankultur und Demokratie achtet – eine eierlegende Wollmilchsau.

Die drängendste Frage aber ist, ob der Verein einen Machtkampf gegen Redlich überhaupt überleben würde. Ein ehemaliger Funktionsträger sagt: „Wenn Redlich geht, ist infrastrukturell nichts mehr da. Man würde wieder vor verbrannter Erde stehen. Die Geschäftsjahresberichte der letzten zwei Spielzeiten liegen bisher nicht vor und sind sowieso eine Dunkelkammer, die niemand einschätzen kann. Er vermittelt klar das Gefühl: Wir müssen mitspielen, sonst sagt er Tschüss.“

Der Aufsichtsrat versucht offenbar mittlerweile durchaus, Redlich stärker zu kontrollieren. Der reagiert: In der vergangenen Woche wurden über den Ältestenrat vier Neue kommissarisch in den Aufsichtsrat berufen, alle, so heißt es, Getreue von Redlich. Einer davon, Alexander Neuhaus, ist der Prokurist bei Crunch Fit. TBAF fordert auch im Zuge dessen nun die außerordentliche Mitgliederversammlung. Bis Mittwoch soll der Vorstand einen Termin mitteilen. Die eiserne Umarmung des Wohltäters aber hält bislang.

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