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Vom Spieldes Lebens

Das Drehbuch für „Nairobi Half Life“ erzählt von einer von Gewalt und Korruption beherrschten Stadt. Nun ist das explosive Werk im Lichtblick-Kino zu sehen

Von Andreas Hartmann

Der junge Mwas ist Filmfan. In seinem Dorf in Kenia vertickt er gebrannte DVDs mit großen Hollywood-Produktionen. Sein Traum: Ab in die Hauptstadt Nairobi, um selber Schauspieler zu werden. Daheim, bei seinem dauerbetrunkenen Vater, hält ihn eh nichts mehr. Doch wie wird man Schauspieler? Er brauche dafür erst einmal einen Agenten, rät ihm ein Kumpel. Einen Agenten wie ihn, mit den richtigen Kontakten in Nairobi. Kostet halt ein wenig. Mwas gibt ihm alles, was er hat, und seine albtraumhafte Reise in den Großstadtdschungel von Nairobi beginnt.

„Nairobi Half Life“ ist ein Film aus dem Jahr 2012 des kenianischen Regisseurs David Tosh Gitonga. In seiner Heimat war er ein riesiger Überraschungserfolg und Kenias erste Einreichung für den Auslands-Oscar überhaupt. Ziemlich außergewöhnlich ist seine Entstehungsgeschichte. „Babylon Berlin“-Regisseur Tom Tykwer und seine Frau Marie Steinmann-Tykwer organisierten zusammen mit ihrem Verein One Fine Day einen mehrwöchigen Workshop für kenianische Filmschaffende. Am Ende wurde das Drehbuch für „Nairobi Half Life“ entwickelt, Tom Tykwer selbst fungierte als Produzent des Films.

Dass bei solch einem Verfahren ein derart explosives Werk entstehen kann, ist wahrlich erstaunlich. Auch die Schauspieler sind großartig und man wird als Zuschauer förmlich zusammen mit dem Hauptdarsteller in ein gnadenloses Nairobi geworfen. Allein die Abfolge an Szenen, in denen Mwas gleich bei seiner Ankunft in der Hauptstadt vom Moloch verschluckt und kleingekaut wieder ausgespuckt wird, ist eine wahre Demütigungsorgie. Das Landei, das in der großen Stadt seiner Illusionen beraubt wird, diese Geschichte kennt man aus vielen Filmen. Aber in „Nairobi Half Life“ wird sie besonders brutal durchexerziert. Kaum aus dem Bus ausgestiegen, wird Mwas gleich mal mitten am Tage nach Strich und Faden ausgeraubt. Danach gerät er in eine Polizeirazzia, kann sich nicht ausweisen und landet im Gefängnis, wo er die mit Kot übersäte Toi­lette säubern muss. Er steckt buchstäblich in der Scheiße. Sein Kumpel aus dem Dorf, der „Agent“, entpuppt sich natürlich auch noch als Betrüger.

Es ist ein düsteres, von Gewalt und Korruption beherrschtes Nairobi, das hier gezeigt wird. Ein ungeschönter, realistischer Blick auf eine Stadt, in der die Menschen im Slum, in dem Mwas nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis bald landet, mit allen Mitteln dafür kämpfen, einfach nur zu überleben. Die Polizei hat unkontrollierte Macht. Wenn es sein muss, lässt sie Menschen auch einfach mal verschwinden. Spaß, Diskothek und Kino bleibt den Reichen vorbehalten.

Aber es wird auch eine Stadt gezeigt, die man nicht aufgeben sollte, die in all dem Elend auch Hoffnung gebiert. Und so treibt sich Mwas bald nicht nur im Slum herum, das von allen nur „Gaza“ genannt wird, unter Zuhältern und Kleinkriminellen. Sondern er bekommt nach einem Vorsprechen im Theater tatsächlich die Chance, als Schauspieler bei einer Aufführung mitzuwirken. Sein großer Traum, er scheint sich trotz allem noch zu verwirklichen. Doch schnell stellt sich heraus, wie schwer es ist für jemanden aus dem Slum, sich einen solchen Traum überhaupt zu gestatten.

Dieser Wille von Mwas, die Hoffnung auch dann nicht zu verlieren, wenn wirklich alles um ihn herum zusammenbricht, wirkt dann beinahe wie eine Metapher auf das, was der Verein One Fine Day der Tykwers, der 2008 ins Leben gerufen wurde, im Sinn hat. Inmitten des Chaos soll für die vermeintlich Chancenlosen etwas ermöglicht werden. In Kibera, Nigerias größtem Slum, hat der Verein inzwischen ein Quartier. Vor allem Kindern und Schülern wird hier von einheimischen Tutoren Kultur und Bildung, Spiel und Spaß vermittelt, weitere Filmproduktionen werden in Gang gebracht. Die Tykwers selbst sagen, sie sehen sich bei diesem Unterfangen in den Rollen von Mentoren. Wie nachhaltig das Ganze gedacht ist, zeigt sich auch daran, dass am selben Tag, in dem im Lichtblick-Kino „Nairobi Half Life“ gezeigt wird, im Auktionshaus Grisebach eine Kunstauktion stattfindet, deren Erlöse dem Projekt zufließen werden. Vor allem das Quartier in Kibera soll damit weiter ausgebaut werden. Und Marie Steinmann-Tykwer gab eben erst bekannt: „Unser letzter Kenia-Film, den wir produziert haben, ist gerade aus dem Schnitt und geht nun in die Postproduktion.“

„Nairobi Half Life“ (2012, OmeU): Lichtblick-Kino, Kastanienallee, 14. 12., 18.30 Uhr. Anschließend Tropical Timewarp DJ-Kollektiv mit rarer afrikanischer Musik. Ebenfalls am 14. 12. veranstaltet der One Fine Day e. V. im Auktionshaus Grisebach, Fasanenstr. 27, um 19 Uhr eine Benefiz-Kunstauktion zur Unterstützung des Workshops für Kinder und Jugendliche Anno's One Fine Day Arts Centre

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