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Überraschte Kraftmeier

Die Wolfsburger entdecken neue Qualitäten und bezwingen die nur fast unschlagbaren Frankfurter

Durchsetzungsstark: Wolfsburgs Rexhbecaj flankt Foto: dpa

Aus Frankfurt Tobias Schächter

Makoto Hasebe ist ein Bestsellerautor in Japan. Das ist in Deutschland nicht so bekannt, hier steht Makoto Hasebe vor allem als Fußballprofi von Eintracht Frankfurt in der Öffentlichkeit. Bei der Eintracht nennen sie den 34 Jahre alten Routinier, der sich in seiner Freizeit mit Philosophie beschäftigt, liebevoll „Hase“. Sein Werk „Die Ordnung der Seele. 56 Gewohnheiten, um den Sieg zu erringen“ war in seiner Heimat ein Bestseller. Mit der Eintracht war Hasebe in letzter Zeit das Verlieren nicht mehr gewohnt, elf Pflichtspiele stürmten die Frankfurter ungeschlagen durch die Bundesliga und die Europa-League. Bis zu diesem Sonntag. Da brachte der VfL Wolfsburg der Eintracht mal wieder das Verlieren bei und gewann in Frankfurt mit 2:1.

Für Erfolgsverwöhnte fühlt sich eine Niederlage erst mal seltsam an. Makoto Hasebe rang dann auch um Erklärungen, aber als Quintessenz seiner Ausführungen blieb die ebenso banale wie tröstliche Wahrheit: „Es ist so im Fußball: Man kann auch verlieren.“ Ein Satz wie aus seinem Bestseller.

Makoto Hasebe und die Eintracht können also noch verlieren. Dass spendet der Konkurrenz Hoffnung. Unheimlich mutete letztens ja die Offensivkraft dieser wuchtigen Elf mit ihren drei Topstürmern Sebastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic an. Mit Dauerdruck in der Anfangsphase schienen die Frankfurter auch Wolfsburg überrollen zu wollen. Aber das 0:1 der stets mutigen Gäste durch Admir Mehmedi (31.) versetzte der Eintracht einen Dämpfer. Die Frankfurter wirkten bis zur Pause so überrascht wie ein Kraftmeier auf dem Pausenhof, der erstmals seit Langem wieder damit konfrontiert ist, dass sich jemand traut, Widerstand zu leisten.

Zwar stürmte die Eintracht nach der Pause weiter, aber mehr als das späte Anschlusstor durch Luka Jovic (87.) nach dem zweiten VfL-Treffer durch Daniel Ginczek (68.) gelang nicht mehr. Frankfurt spielte nicht schlecht, es fehlten diesmal aber „ein paar Körner“ (Hütter) nur drei Tage nach der Europapokalgala gegen Olympique Marseille (4:0). Aber die Wolfsburger verdienten sich den Sieg durch eine couragierte Leistung trotz der schwierigen Bedingungen bei Dauerregen. „Wir hatten richtig Bock, die Serie der Eintracht zu brechen, ich glaube, das hat man gesehen“, bemerkte VfL-Trainer Bruno Labbadia stolz. Kampfspiele zu gewinnen ist eine neue Qualität am Standort Wolfsburg. In den letzten beiden Spielzeiten rettete der VfL jeweils erst in der Relegation den Klassenerhalt – eine Farce angesichts der Investi­tio­nen der VW-Tochter. Schafft Labbadia den Mentalitätswandel in Wolfsburg?

Maximilian Arnold analysierte am Sonntag: „Wie wir als ganzes Team unser Tor verteidigt haben, das macht mich stolz.“ Der 24-Jährige spielt seit 2009 beim VfL, er kennt den Klub wie kein anderer Spieler: „Die Mischung aus Alt und Neu macht es gerade. Die Neuen wissen nicht, wie wir in den letzten beiden Jahren gespielt haben – und das ist ganz gut so.“ Zu den Neuen gehören auch die Stürmer Wout Weghorst und Daniel Ginczek, die mit Admir Mehmedi in Frankfurt ein starkes Offensivtrio bildeten. Nicht nur die Eintracht hat eine super Offensive, stellte VfL-Trainer Labbadia klar. Mehmedi habe „geniale Ideen“ und Weghorst „sei mit dem Rücken zum Tor stark“, beschrieb Daniel Ginczek die Kollegen. Dem ehemaligen Stuttgarter attestierte wiederum Labbadia „eine sensationelle Abschlussstärke“. In der Vergangenheit bremsten schwere Verletzungen immer wieder diesen ebenso kantigen wie spielstarken Angreifer. Es wäre eine Pointe, wenn die Karriere des 27-Jährigen ausgerechnet in Wolfsburg noch einmal Fahrt aufnehmen würde.

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