Einfach alles streichen?

Viel Klärungsbedarf bei neuer Geschlechtsoption „divers“

Aus Berlin Julia Wasenmüller

Am Montag hatte der Bundestag Sachverständige zur Anhörung geladen. Es ging um den Gesetzesentwurf zur Änderung des Personenstandsgesetzes. Neben „männlich“ und „weiblich“ soll die dritte Option „divers“ eingeführt werden. Von einer „qualifizierten Debatte“ sprach danach Doris Achelwilm, Linken-Sprecherin für Gleichstellungspolitik. „Es ging nicht mehr um die grundsätzliche Frage, ob es verschiedene Geschlechtsidentitäten gibt.“

Dass das der Bezugsrahmen für eine „qualifizierte Debatte“ ist, und das Gepöbel der AfD in der Anhörung hingenommen wurde, zeigt, auf welchem Niveau in Berlin gerade Politik gemacht wird. Inzwischen aber gerät das gesamte Gesetz ins Stocken. Eigentlich sollte es am Donnerstag im Plenum verabschiedet werden. Nun aber gibt es noch Überarbeitungsbedarf.

Schon im Oktober 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt: Die „rechtliche Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht“ dürfe „nicht von unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht werden“. Der Gesetzentwurf, den die Groko dazu aber bislang vorlegte, entspricht keinesfalls dieser Vorgabe.

So wurde in der Anhörung das ärztliche Attest kritisiert, das die Bescheinigung einer „Variation der Geschlechtsentwicklung“ zur Voraussetzung für die Änderung des Ge­schlechts­eintrags macht. Unklar bleibe, was diese „Variation“ bedeute. Verwendet wird sie als Synonym für Intergeschlechtlichkeit. Damit wird die Gruppe, die vom neuen Gesetz Gebrauch machen kann, indes stark eingegrenzt.

Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte plädierte dafür, die Bescheinigungspflicht abzuschaffen und durch einen Antrag beim Standesamt zu ersetzen. Geschlechtsidentität könne nicht fremdbegutachtet werden und Arztbesuche stellten für Menschen, die gegen ihren Willen zwangsoperiert wurden, eine erhebliche Hürde dar. Die Selbstausweisung sei in Belgien, Dänemark, Malta, Norwegen, Luxemburg oder Portugal bereits gängige Methode.

Lucie Veith von dem Verein Intersexuelle Menschen schlug eine eidesstattliche Erklärung vor. Damit würden Menschen versichern, dass der gewünschte Eintrag seit mindestens drei Jahren ihrer gelebten Geschlechtsidentität entspräche. Der Grüne Sven Lehmann fragte, ob es nicht letztlich eine gänzliche Streichung des Geschlechtseintrags brauche? Aus verfassungsrechtlicher Sicht spreche nichts dagegen, so die Sachverständige Katharina Mangold.

Insgesamt vier Änderungsanträge zum Gesetzentwurf gibt es nun von Linken und Grünen. Die Verabschiedung soll jetzt im Dezember stattfinden.