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Erst mal nicht feministisch

In Hannover ist die erste Einzelausstellung der Österreicherin Florentina Pakosta zu sehen. Die 85-Jährige setzt sich unter anderem mit männlichen Machtansprüchen auseinander

Von Bettina Maria Brosowsky

Die österreichische Kunst der Gegenwart hat einige bemerkenswerte weibliche Protagonistinnen hervorgebracht. Die Malerin Maria Lassnig ­(1919–2014) oder die multimedial arbeitende Aktionistin Valie Export, Jahrgang 1940, sind auch hierzulande ein Begriff – besonders für das feministische Grundrauschen ihrer Arbeiten.

Beide thematisieren in ihrer Kunst den eigenen Körper, Lassnig etwa mit expressiven Selbstporträts, die ein physisches und psychisches Empfinden, ihre subjektiven Körpergefühle, in allen Dimensionen und Tiefen ausloten wollten. Berühmt bis berüchtigt hingegen ist Valie Exports „Tapp- und Tastkino“ aus dem Jahr 1968: Einen Karton vor dem Oberkörper, ließ sie darin Passanten, ganz handfest und für jeweils genau 33 Sekunden, ihre nackten Brüste befühlen.

Im Schatten dieser beiden, auch in ihrer Selbstdarstellung erfolgreichen Künstlerinnen, steht das Werk der Wienerin Florentina Pakosta. Zu ihrem 85. Geburtstag richtet ihr das Sprengel-Museum in Hannover (zusammen mit der Wiener Albertina) derzeit eine große Retrospektive aus. Sie ist die allererste museale Einzelausstellung Pakostas in Deutschland überhaupt. Zu entdecken ist ein umfangreiches und vielfältiges Werk, das auch literarische Arbeiten umfasst.

Erste Secessionistin

Oft war Florentina Pakosta Pionierin. Gegen den Willen der Eltern erlaubte ihr ein Stipendium, Kunst zu studieren, zuerst vier Jahre an der Akademie in Prag. Als sie 1956 ihre Studien in Wien fortsetzte, war sie die einzige Frau in ihrer Malerei-Klasse der Akademie der bildenden Künste. In den 1960er- Jahren wurde ihr der Eintritt in die ehrwürdigen Künstlerbünde der Secession und der Gesellschaft bildender Künstler verweigert, die grundsätzlich keine Frauen aufnahmen. Sie konnte später dann doch eintreten, wurde 1975 erstes weibliches Vorstandsmitglied der Wiener Secession. Und organisierte 1978 die Ausstellung „Secessionistinnen“, ausschließlich mit Arbeiten von Künstlerinnen.

Verlagerte Macht

Aber, so sagt sie im Begleitfilm zur Ausstellung: Es gibt keine feministische Kunst. Das hat mit der langen männlich dominierten und „geistig inzestuösen“ Geschichte der Kunst zu tun, deren Denkstrukturen zwangsläufig auch Frauen verinnerlicht haben. Es bräuchte wenigstens Jahrhunderte, bis sich Akzente verschieben. Die Welt würde unter Frauen zudem nicht unbedingt besser, trotzdem plädiert Pakosta für eine Verlagerung der Macht.

Den männlichen Führungsanspruch hat sie akribisch studiert, in Serien großformatiger dunkelgrauer Zeichnungen sich mit Mimik und Körpersprache auseinandergesetzt. Ähnlich den „Charakterköpfen“ des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) stellte sie in den 1970er-Jahren elementare Dispositionen wie Selbstvertrauen und ein In-sich-Ruhen, aber auch das gebrochene oder gehemmte Ich als physiognomische Zustandsbilder dar.

Die Gesichter sind anonym, die Köpfe kahl, die Bildnisse zeigen keine unmittelbare Geschlechtszuweisung. Und verdichten sich, handwerklich virtuos, aus netzartig und unterschiedlich stark überlagerten Schraffuren räumlicher Tiefenbildung, zu androgyner, düsterer Allgegenwart.

Später kamen surreale Elemente hinzu: Ein Mund wurde Kurbel eines Fleischwolfs, Wasserhahn, Schublade; eine Schraubzwinge bedrängte den Oberkopf oder er wurde gleich zur Klobrille, hochgeklappt wie ein Heiligenschein. Ein solcher umflort auch den Kopf des naturalistisch wiedergegebenen Ronald Reagan, nur ist der Strahlkranz aus Springmessern gebildet.

Größen der Gesellschaft

Neun große Porträts widmete Pakosta männlichen Größen der Wiener Gesellschaft: Künstlerkollege Alfred Hrdlicka etwa, der populäre Politiker Helmut Zilk oder der damalige Direktor der Albertina. Ein Selbstpor­trät zeigt sie lachend grimassierend – aber es gibt auch eine Zeichnung, in der Pakostas Gesicht nahtlos in ein Zaungewebe übergeht.

Gitter, Balken, versperrte Durchblicke wurden Pakostas Thema einer nichtfigürlichen, geometrischen Malerei ab 1989. Sehr intensiv habe sie den Zusammenbruch des Ostblocks erlebt, registriere die weltweite Zunahme an Aggression, sagt Pakosta. Sie verwendet für ihre „trikoloren Bilder“ nun eine bunte Farbigkeit nach genauem Konzept: Die erste trägt das Motiv, die zweite ist der kontrastierende Hintergrund, die dritte sorgt schließlich für räumliche Dimension und Tiefe. „Jede Farbe soll ein gefährliches Gift sein“, schreibt sie.

Eine Struktur aus dem Jahr 2012 versah sie dann doch mit konkreter Assoziation: „Flak“ erinnert sie an die Lichtbündel der Flugabwehrscheinwerfer im zweiten Weltkrieg – und an Männer, die Städte zerbomben.

Hannover, Sprengel-Museum, bis 13. Januar 2019

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