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Die Musik hallt in den Fotos wider

Wahre Geschichten für die Nachgeborenen, aber auch für alle, die dabei waren: der zweite Teil der Ausstellungsreihe „True Stories. A Show Related to an Era – The Eighties“ in der Galerie Max Hetzler

Von Beate Scheder

Es ist, wie es ist. Der eindeutig beste Zeitpunkt, die aktuelle Ausstellung in der Galerie Max Hetzler in der Goethestraße zu besuchen, ist leider längst vorüber. Anfang November war das, als der zweite Teil der von Peter Pakesch kuratierten Gruppenausstellung eröffnet wurde. Der dritte Teil, könnte man auch sagen, zumindest wenn man die Ausstellung in der – dem anstehenden Brexit zum Trotz – gerade erst frisch eröffneten Londoner Dependance Hetzlers mitzählt.

So oder so, Anfang November jedenfalls lockte die Galerie das Kunstpublikum der späten 2010er Jahre nicht nur mit 1980er Kunst, sondern auch mit einem DJ-Set von Gudrun Gut nach Charlottenburg. „The Weeping Song“ von Nick Cave & The Bad Seeds lief da, „Computerstaat“ von Abwärts und was der hinter ihrer Sonnenbrille mitwippenden Grande Dame des Berliner Undergrounds sonst noch so einfiel.

Noch herrlicher, weil noch blöder, leuchtete mit dieser Untermalung die „Hühnerdisco“ (1988) von Martin Kippenberger. Wer sie noch nicht kennt: Es handelt sich um eine quadratische Konstruktion aus Stahl, buntem Glas und Neonröhren, ein kleiner beleuchteter Tanzboden quasi, den Kippenberger damals, im Jahr 1988 in der Sonderausstellung „Aperto“ der Venedig-Biennale, vorgestellt hatte. Die Gut selbst erschien wie die lebendige Version der direkt hinter ihrem DJ-Pult aufgereihten Porträts von Axel Hütte (1978–1982), und die Musik wiederum hallte in Isa Genzkens Fotografien auf der gegenüberliegenden Wand wider, Aufnahmen von Post-Punk- und No-Wave-Konzerten, die Genzken 1981 gemeinsam mit dem Künstler Dan Graham in New York besucht hatte.

Fürs Gefühl fehlte in diesem Setting nur irgendwie das Glas in der Hand und Zigarettenrauch in der Nase. Schade einerseits, aber natürlich sehr verständlich. All die guten Stücke, die hier, in der zur White-Cube-Galerie umfunktionierten ehemaligen Post, aufgereiht wurden, sollten zweifellos vor möglichen Spritzern von Eröffnungswein oder fliegender Asche geschützt werden. War das damals auch so? Zu jung zu sein hat nicht gerade Vorteile, wenn es um jenes legendäre prädigitale Jahrzehnt der Kunst geht, das man als damals gerade erst geborene Person nur aus Büchern, von Bildern und vom Hörensagen kennt.

Die Kunst? „Part I“ der Ausstellungsreihe „True Stories. A Show Related to an Era – The Eighties“ hatte sich auf Malerei bzw. Fragen des Materials und Raums konzentriert. In „Part II“ nun geht es um neue Medien, quasi, viele fotografische Arbeiten hängen deshalb dort. Straßenbilder von Thomas Struth zum Beispiel (1980–1990) oder Günther Förgs Aufnahmen der „Villa Tugenhat“ von Mies van der Rohe (1989), Auszüge aus Cindy Shermans „Untitled Film Stills“ (1977–1980) oder zwei Arbeiten von Clegg & Guttmann, auf denen sie Künstlerkollegen inszenieren: Martin Kippenberger im halbkaputten Anzug posierend, Porträts von Franz West und Mathis Esterhazy hinter Stahlstühle geklemmt.

„True Stories“ sollen sie dem Titel nach erzählen. Wahre Geschichten für die Nachgeborenen, aber auch für alle, die dabei waren, als in den 1980er Jahren die wichtigste Kunstmetropole im deutschsprachigen Raum Köln hieß, gefolgt von Wien und sich auf der anderen Seite des großen Teichs L. A. neben New York auf die internationale Weltkarte schob. Hetzler war damals in Köln einer der tonangebenden Galeristen, und in Wien hatte Pakesch 1981 seine Galerie eröffnet. Er zeigte dort „Hetzler-Boys“ wie Kippenberger, Albert Oehlen und Förg, Österreicher wie Franz West, Heimo Zobernig oder Herbert Brandl und in legendären Ausstellungen US-Künstler wie Sol LeWitt oder Mike Kelley. Hetzler stellte in Köln wiederum Pakesch-Künstler wie West und Brandl aus.

Die Achse Köln–Wien, die in „True Stories“ gefeiert wird, liegt auch in der professionellen wie persönlichen Freundschaft zwischen Hetzler und Pakesch begründet, woraus die Ausstellung dann aber doch zu wenig macht. Etwas zu glatt, zu geschmeidig, zu unpersönlich erscheint sie. Ohne Frage wartet sie mit einigen grandiosen Kunstwerken auf, doch können diese naturgemäß gar nicht mehr so rotzig, so radikal wirken, wie sie es damals getan haben. Mehr Kontext, mehr Zeitdokumente hätte man sich gewünscht. Da sind zwar die Kataloge und Einladungskarten, die in den „Tischvitrinen“ von Mathis Esterhazy den Ausstellungsparcours unterbrechen, weniger museal machen sie diesen aber doch nicht.

Draußen vor der Galerie erledigt das dann doch noch das heutige Charlottenburg: Im Schaufenster der Galerie hängt Mike Kelleys „Pansy Metal“ und grinst die Vorbeigehenden so teuflisch an wie 1989.

„True Stories. A Show Related to an Era – The Eighties“, Galerie Hetzler, Goethestraße 2/3. Bis 22. Dezember, mehr Info: www.maxhetzler.com

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