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■ Québec Deluxe
Was die Frankfurter Buchmesse kann, das kann das Filmfest Hamburg schon lange, mögen sich Albert Wiederspiel und sein Team gedacht haben, als sie für ihren diesjährigen Länderschwerpunkt die Provinz Québec wählten. Nur knapp acht Millionen Einwohner hat die frankophone kanadische Provinz, besitzt aber eine eigenständige Filmkultur, das „cinéma québécois“, das eine ganze Reihe international anerkannter Filmemacher hervorgebracht hat. Allen voran Denys Arcand, der 1989 mit „Jesus von Montreal“ bekannt wurde und dem mit „Die Invasion der Barbaren“ 2004 das Kunststück gelang, den Prix Jutra für den besten Film der Provinz Québec, den französischen César für den besten Film und den Oscar für den besten fremdsprachigen Film zu gewinnen. Dann den vor allem als Theaterregisseur bekannten Robert Lepage, der 1996 mit dem Thriller „Le polygraphe“ überraschte. Ein paar Jahre später: Denis Villeneuve, den Regisseur von „Maelström“ und „Polytechnique“, dem im vergangenen Jahr bei den „Maple Movies“, dem Hamburger Festival des kanadischen Films eine kleine Werkschau gewidmet war. Und jüngst den erst 23-jährigen Xavier Dolan, dessen in Cannes von der Kritik gefeiertes Liebesdrama „Laurence Anyways“ hier im Hauptprogramm läuft.
Die zehn Filme von den 60er Jahren bis heute, die der Regisseur Denis Côté für diese Retrospektive zusammengestellt hat, mögen nicht ganz so geläufig sein, bieten aber einen guten Überblick über das „cinéma québécois“ und enthalten so manche (Wieder-)Entdeckung. So zum Beispiel „Drifting Upstream“, 1967 von Michel Brault gedreht, um einen jungen Mann aus der Provinz, der nach Montréal kommt, um als Folksänger berühmt zu werden. Brault versucht hier gar nicht erst, seine Herkunft aus der Direct-Cinema-Bewegung zu verleugnen: Die Figuren tragen die Namen der Darsteller, Claude Gauthier und Geneviève Bujold. Am Drehbuch schrieben Denys Arcand und Claude Jutra mit. Der früh verstorbene Jutra war es, der vier Jahre später, auf dem Höhepunkt der Separatismusbewegung, mit „Mon oncle Antione“ das „cinéma québécois“ endgültig auf die Kinolandkarte brachte. In den 40er Jahren in einer kleinen ärmlichen Bergarbeiterstadt angesiedelt und mit einem 15-jährigen Waisenjungen im Zentrum, zeichnet Jutra hier eine präzises Bild des landwirtschaftlich und klerikal geprägten Québec jener Zeit. Ein wenig mag man dabei an Peter Bogdanovichs im selben Jahr gedrehten „The Last Picture Show“ denken.
Ein Zug, der sich durch viele frankokanadische Filme zieht, ist das Spiel mit Realität und Fiktion. So ist „Jimmywork“ von Simon Sauvé eine klassische Mockumentary um einen Endvierziger, der sich als amerikanischer Werbefilmproduzent ausgibt, um endlich reich und berühmt zu werden. Und damit auch ziemlich lange durchkommt. Wie ein Vorläufer von Bansky wirkt Victor Pellerin, der Held von Sophie Deraspes „Missing Victor Pellerin“: Ende der 80er Jahre war er der Shootingstar der Montrealer Kunstszene, bis er begann, Bilder zu verkaufen, die noch gar nicht gemalt waren. ECKHARD HASCHEN