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Nahles zeigt Jusos den Vogel

SPD-Chefin kritisiert Parteijugend für „Richtungsstreit, der zur Spaltung führt“. Kevin Kühnert widerspricht

SPD-Chefin Andrea Nahles hat angesichts anhaltender Debatten über einen Verbleib der Partei in der Großen Koalition vor einer Spaltung gewarnt. Nahles warf den Jusos bei deren Bundeskongress am Samstag in Düsseldorf vor, bei jedem Konflikt in der Koalition mit der Union zu verlangen, dass die SPD aussteigen soll. „Wir laufen in dieser Frage auf eine echte Richtungsauseinandersetzung, auf einen echten Richtungsstreit hinaus. Wir stecken wahrscheinlich schon mitten drin“, sagte Nahles. „Ich glaube, dass Richtungsstreit aber nicht die richtige Antwort ist, weil Richtungsstreit führt zur Spaltung.“

Die Jusos delegierten die Probleme oft einfach an die Parteispitze weiter, warf sie der Nachwuchsorganisation vor. Getroffene Entscheidungen würden immer wieder in Frage gestellt statt sie nach einer inhaltlich starken Debatte auch gemeinsam zu tragen. „Das wirkt nach draußen so, als wären wir mit uns selbst nicht im Reinen“, warnte Nahles. „Ja, Streit in den Debatten, aber nicht Richtungsstreit, der zur Spaltung führt“, forderte sie vor rund 300 Delegierten.

Juso-Chef Kevin Kühnert wies unter dem starken Applaus seiner Organisation Kritik an der Streitkultur zurück. Zudem fordere der Nachwuchs keineswegs reflexartig immer wieder das Aus für die große Koalition. Aber „viele hier im Raum haben den Eindruck, nach jedem neuen Skandal, den es in dieser Koalition gibt, kommt von der Parteispitze immer nur eines zurück, nämlich ‚So geht das nicht weiter‘ und ‚Das war das letzte Mal‘.“

Irgendwann dürfe nicht mehr nur gedroht werden, sagte Kühnert: „Wer immer nur Ankündigungsweltmeister ist und versucht, den Koalitionspartner unter Druck zu setzen, aber nie die Konsequenz daraus zieht, der landet irgendwann als Bettvorleger.“ Die Geduldsfäden der Jusos seien sehr gespannt. „Und irgendwann reißen sie tatsächlich auch.“

Kühnert hatte zum Auftakt des dreitägigen Bundeskongresses am Freitag ein maßgebliches Mitspracherecht für seine Organisation in der krisengeschüttelten Partei und in Europa beansprucht. Im ersten Jahr seiner Amtszeit an der Juso-Spitze hat er sich als scharfer Gegner der Großen Koalition und als Treiber der SPD-Erneuerung positioniert.

Inhaltlich forderten die Jusos in Düsseldorf unter anderem eine vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten am Samstag für einen Antrag des Juso-Vorstands, wonach die Paragrafen 218 und 219 des Strafgesetzbuches gestrichen werden sollen. Laut Paragraf 218 ist Abtreibung in Deutschland verboten, in bestimmten Fällen aber straffrei. Zum Paragrafen 219 gehört das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. In dem Antrag des Juso-Bundesvorstands heißt es, die Regelungen der Paragrafen 218 und 219 führten letztlich „zu rechtlicher Unsicherheit, Kriminalisierung und gesellschaftlicher Stigmatisierung nicht nur für (ungewollt) Schwangere, sondern eben auch für ÄrztInnen“. (afp, dpa)

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