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Archiv-Artikel

Kirchhof – ein „Gegner Bremens“

Interview mit dem SPD-Landesvorsitzenden Carsten Sieling über Paul Kirchhof, den alten Prozessgegner Bremens und neuen Steuerexperten der CDU-Kandidatin

Von kawe

Bremen taz ■ Paul Kirchhof, der Professor aus dem CDU-Kompetenz-Team, verspricht Steuersenkungen für Geringverdiener. Wir fragten den SPD-Landesvorsitzenden Carsten Sieling, was er gegen Kirchhof hat.

taz: Was kann ein Sozialdemokrat gegen Kirchhofs Steuerpläne haben, die den kleinen Mann entlasten?

Carsten Sieling: Das ist das Angebot an den kleinen Mann, ihn schlechter zu stellen, weil besondere Zahlungen wie Schichtzuschläge, Sonntagszuschläge oder Kilometerpauschalen wegfallen sollen. Die CDU will gleichzeitig die Mehrwertsteuer erhöhen – das trifft den kleinen Mann zusätzlich. Insbesondere ist es also ein Programm der Umverteilung. Zudem wird es unter dem Strich ein großes Loch in die Staatskasse reißen, so dass bei den staatlichen Aufgaben im Bereich Bildung und Soziales gestrichen werden muss. Auch das trifft Familien mit geringem Einkommen besonders.

Eine Familie mit zwei Kindern mit bis zu 36.000 Euro Einkommen würde nach dem Kirchhof-Modell überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Jede alleinerziehende Kindergärtnerin mit einem Kind würde besser stehen.

Es kann durchaus sein, für die direkten Zahlungen. Aber gerade Menschen mit geringem Einkommen haben bisher auch Vorteile, zum Beispiel von steuerfreien Nachtzuschlägen, die bei diesen Berechnungen nicht bedacht werden. Der Gedanke, Familien mit Kindern zu entlasten, ist richtig – und in unseren Steuerkonzepten auch enthalten.

Warum hat die sozialdemokratische Bundesregierung nicht das Ehegatten-Splitting abgeschafft?

Ich gehöre zu denen, die sagen: Das muss weg, jedenfalls für Ehepaare ohne Kinder. Dass Kirchhof diese Subvention, die vor allem berufstätigen Arzt- und Steuerberater-Gattinnen Vorteile verschafft, nicht infrage stellt, zeigt die sozialpolitische Richtung seiner Vorschläge.

Was würde ein Finanzminister Kirchhof für das Bundesland Bremen bedeuten?

Kirchhof würde richtig teuer für Bremen. Meines Erachtens ist er ein erklärter Gegner Bremens, und das aus verschiedenen Gründen. Er produziert mit seinen Steuervorschlägen Einnahmeausfälle, die für Bremen dramatisch wären. Zudem hat er in den 80er Jahren schon als juristischer Vertreter von Baden-Württemberg gegen die Einwohnerwertung von 135 Punkten argumentiert. Bremen braucht aber eine höhere Finanzausstattung. Kirchhof hat damals auch die Hilfen für die Hafenlasten angegriffen.

Das ist lange her.

Denkt er heute anders? Nicht zufällig hat der Bremer Senat – unter Beteiligung der CDU übrigens – 1999 einen Befangenheitsantrag gegen den Verfassungsrichter Paul Kirchhof gestellt. Auch für die Bremer CDU war damals klar: Der Mann ist als Richter nicht neutral. Wäre spannend, wenn die CDU heute etwas dazu sagen würde.

Kommt Kirchhof im Wahlkampf nach Bremen?

Soweit ich weiß, nicht – leider. Er sollte sich gerade im Wahlkampf dazu äußern, damit die Bremerinnen und Bremer wissen, was sie wählen. Frau Merkel hat sich auf der Kundgebung am Mittwoch voll hinter Kirchhof gestellt und gleichzeitig nichts zu Bremens Zukunft gesagt, obwohl Neumann dies direkt angesprochen hatte. Ihre Wahl wäre die größte politische Gefahr für Bremens Selbständigkeit. Int.: kawe