In Stroboskopgewittern

Viele fucking party people füllen die fucking Max-Schmeling-Halle vom fucking ground bis zum fucking floor. Klar, schließlich sind auch The Prodigy da

Von Jenni Zylka

Berlin is the place to fucking be am Dienstag. Sagt Maxim, Shouter bei Prodigy, schließlich auch. Mehrmals sogar. Berlin is the place to fucking be, weil so viele seiner fucking party people vom fucking ground bis zum fucking floor die fucking Max-Schmeling-Halle füllen. Und fast alle, davon kann man ausgehen, ­kennen nicht nur die Hochzeit der Band, die 90er mit den entsprechenden Big Beat-Hits „Firestarter“ (1996) und „Smack My Bitch Up“ (1997), sondern sind drangeblieben, lieben „Voodoo People“, „Nasty“ und „Omen“ und freuen sich jetzt über die Songs vom neuen Album „No Tourists“, von denen Prodigy am Dienstag eine Menge, wenn auch leider nicht den Titelsong spielt.

Bei der Band bestellen nützt aber nix – bei einem Prodigy-Konzert etwas in den Saal zu rufen, das ist ungefähr so, wie dem Piloten eines ­startenden Flugzeugs noch schnell etwas auf den Trip mitgeben zu wollen. Und sieht auch so aus: größtmögliche Verwirrung, helles Geflacker und lautes Gedöns; Strobolicht, bis Epileptiker weggucken müssen, das ist die Intention der Prodigy-Bühnenshow. Liam Howlett steht erhöht an seinen Reglern, Liveschlagzeuger Leo Crabtree spielt so schnell wie ein Drumcomputer, Livegitarrist Rob Holliday krault den Distortion-Regler, und mittenmang in Blitz und Donner stapfen Maxim und Keith Flint herum und bellen kurz angebunden Befehle: „Are you ready!?“ – „Get down!“ – „We’re here! It’s now! We live forever!“ Flint, mit Iro-Doppelreihe, hält sich jedoch zurück, tanzt und marschiert mehr, als dass er schreit. Vielleicht will er ja nur höflich sein.

Dass Musikregisseur Jonas Åkerlund damals das Video zu „Smack My Bitch Up“ inszeniert und dem mit subjektiver Kamera gefilmten exzessiven Drogentrip inklusive sexueller Belästigung einer Stripperin jenes erstaunliche Ende verpasst hatte (wir sehen die Erlebnisse einer Frau, nicht eines Mannes), das lässt fast vergessen, worum es dabei ging: „Smack My Bitch Up“ war nicht etwa der Aufruf zu häuslicher Gewalt, sondern, nicht wirklich besser, die Aufforderung zum Heroinkonsum.

In der Max-Schmeling-Halle mit ihrem dazu passenden Industrial-Charme ist es am Dienstag einfach nur eine Erinnerung an wilde Zeiten auf und vor der Bühne, bei der das Publikum glücklich aus Hunderten Kehlen mitbrüllt. Was soll es auch sonst tun – eine Dramaturgie, in der es auch ruhigere Teile gibt, ist mit Prodigy nicht zu machen. Die Songs liefern die bekannten Breaks, nach denen das Gewitter richtig losgeht, die Breakbeat-Rhythmen sind schnell und vertrackt, die Samples hochgepitcht, ob Arthur Browns „Fire“ oder, auf Prodigys 1994er Rave-Hit „No Good“, den sie ebenfalls am Dienstag spielen, Kelly Charles’ „You’re No Good For Me“ – die Londoner gönnen sich und den ZuschauerInnen nur wenige entspannte Dub-Sekunden und keine Abweichung von der Attitude.

Es geht und ging ihnen stets um Wucht, um Spannung. Und darum, was ihr Landsmann Johnny Rotten ein paar Jahre zuvor auf „Rise“ festgestellt hatte: „Anger is an Energy“. Wem das zu viel wird, der ist kein Punk und soll einfach draußen ­bleiben.