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Freihändig durch die Wüste

Eigentlich wollte Anselm Nathanael Pahnke nur ein Reisetagebuch drehen. Nun hat der Hamburger mit „Anderswo – Allein in Afrika“ einen Film über seine Fahrradtour von Kapstadt bis zum Suezkanal gemacht

Von Wilfried Hippen

Am schwersten war die Durchquerung der Sahara. Nicht, weil sie so trocken oder so heiß war – an Wassermangel und die brennende Sonne hatte sich Anselm Nathanael Pahnke längst gewöhnt. Aber der ständige Gegenwind machte dem Radfahrer arg zu schaffen. Die Passatwinde bliesen ständig aus dem Norden, und der studierte Geophysiker wusste so schon vorher, dass er wochenlang mühsam in die Pedalen steigen musste. Aber geschummelt wurde nicht – er wollte nur mit eigener Muskelkraft durch Afrika reisen.

Einmal war er krank und wurde mit einem Auto in den nächsten Ort gebracht und nach Ägypten kann man nur per Boot über den Stausee bei Assuan einreisen: Aber ansonsten ist Anselm tatsächlich in 414 Tagen 15.000 Kilometer durch 15 Länder geradelt.

Die meiste Zeit davon fuhr er allein und so sind die meisten Aufnahmen des Films im Grunde Selfies, bei denen er während des Fahrens die Kamera auf sich selber richtete und erzählte, wie es ihm gerade ging und was ihm bei der Fahrt so in den Kopf kam. Denn eigentlich sollten diese Aufnahmen mit seiner kleinen Digitalkamera nicht viel mehr als ein Reisetagebuch und per E-Mail gesendete Grüße an die Freunde daheim sein.

Deshalb fehlen etwa Aufnahmen von Gesprächen mit Menschen, die er auf seiner Reise getroffen hat. Denn wenn er mit denen zusammen war, brauchte er ja die Kamera, die immer mehr eine Art von Gesprächspartner für ihn wurde, nicht mehr.

Im Laufe der über einjährigen Dreharbeiten packte ihn dann doch ein künstlerischer Ehrgeiz, und Pahnke arbeitete immer mehr mit zum Teil überraschenden und kreativen Kameraperspektiven. Für Bilder, in denen man ihn selber von hinten sieht, brauchte er nur einem anderen Fahrradfahrer die Kamera in die Hand zu drücken und hoffen, dass dieser nicht zu sehr beim Aufnehmen wackelte.

Doch wenn man ihn etwa von oben dabei sieht, wie er sich auf seinem Rad bei einer steilen Steigung abmüht, dann muss er vorher schon oben gewesen sein, um seine Kamera zu postieren. Für solche Aufnahmen stieg er auf Bäume, für eine Untersicht krabbelte er in eine Grube neben der Straße und er montierte die Kamera sogar an einem langsam fahrenden Lastwagen, den er dann eindrucksvoll überholen konnte. Sechsmal ging die Kamera dabei kaputt, viermal war es ein Totalschaden.

Anselm Pahnke versichert glaubhaft, dass er während der Reise nie daran gedacht hat, einen Film darüber zu machen. Und so ruhten die Aufnahmen vier Jahre lang auf einer Festplatte, bis eine Freundin meinte, dass in diesen 40 Stunden Filmmaterial ein guter Reisefilm stecken könnte. Der überraschende Publikumserfolg des Films „Weit – Ein Weg um die Welt“ über die Weltreise der beiden Freiburger Patrick Allgaier und Gwen Weisser war einer der Gründe dafür, dass aus den privaten Aufnahmen von Pahnke schließlich ein Film wurde.

Und dieser wurde in der Postproduktion erstaunlich professionell herausgeputzt. Mit Andree Fischer hatte Pahnke einen routinierten Schnittmeister, die Produzentin Laia Gonzalez schrieb auch am Buch mit und eine ganze Reihe von Musikern sorgten für einen abwechslungsreichen Soundtrack, bei dem die Klischees von „afrikanisch“ klingender Musik geschickt vermieden wurden.

Um diesen Film genießen zu können, muss man akzeptieren, dass in ihm mehr von dem Reisenden als von Afrika erzählt wird. Man bleibt immer mit dem Protagonisten auf der Straße. Da ist nicht viel von Neugier auf das Land zu spüren. Stattdessen spricht Pahnke viel davon, wie das ständige Radfahren ihn verändert hat, wie er süchtig danach wurde.

Dies ist ein Widerspruch im Film: Einerseits gelingt es ihm, mit seiner Kamera einen intensiven Eindruck davon zu vermitteln, wie es sich anfühlt auf einem Fahrrad auf den Straßen Afrikas zu fahren. Aber andererseits ist dies auch eine sehr einschränkende, private Perspektive. Es gibt zum Beispiel viele Aufnahmen von Kindern, die begeistert hinter Pahnkes Fahrrad herlaufen – genau dies wird ihm wohl in fast jedem Dorf passiert sein.

Von Neugier auf das Land ist nicht viel zu spüren. Stattdessen spricht Pahnke davon, wie das Radfahren ihn verändert hat

Es war aber viel schwerer, erwachsene Afrikaner zu fotografieren und Pahnke erklärt in einem Gespräch auch den Grund dafür: Sie waren sich sehr bewusst, dass da ein Europäer Bilder von armen Afrikanern machte und diese dann in Europa zeigen würde. „Ich wollte die Menschen nicht mit meinen Aufnahmen belästigen“, sagt er dazu.

Länger im Bild sind dagegen ein paar europäische Reisegefährten, die jeweils für ein paar Tage auf ihren Rädern mitfahren. Doch immer dann, wenn Pahnke nicht allein ist, wird seine Reise uninteressant. Am Anfang des Films fährt er etwa gemeinsam mit zwei deutschen Freunden viele Wochen lang durch Südafrika, und das Ergebnis sind nicht mehr als Urlaubsaufnahmen, in denen dann eine Frisbeescheibe auf der Straße zwischen den Radfahrern hin- und hergeworfen wird.

Allein stößt Pahnke dagegen an seine Grenzen und erspart uns auch nicht die Bilder davon, wie er sich als Heilmittel gegen Verstopfung den Schlauch für einen Einlauf einführt. In einer Krise kommt sein Vater zur Unterstützung aus Deutschland angereist, und auch dies ist kein heldenhafter Moment. Aber Pahnke ist so ehrlich, dass er ihn uns zeigt, und das macht ihn sympathisch.

Später wird er von Wildhütern in einem Nationalpark (in dem er mit seinem Rad wohl auch nichts verloren hatte) mit Kalaschnikows bedroht. Am Suezkanal wird er der Spionage verdächtigt und für ein paar Tage eingesperrt. Aber das steht er, wie auch Malaria und Typhus, tapfer durch. Und er ist freihändig durch die Kalahari gefahren – für die Gemeinde der Fahrrad-Enthusiasten wird dies ein Kultfilm werden.

Premiere: Do, 29. 11., 20 Uhr, Hamburg, Abaton. Weitere Termine im Norden unter www.anderswoinafrika.de

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