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Uli Hannemann Liebling der MassenSieben Sachen

An der Supermarktkasse stehe ich an Position zwei. Hinter mir drückt sich eine Frau vorbei und fragt die Frau an Position eins, ob sie sie vorlassen könne, weil sie doch „nur sieben Sachen“ hätte.

Nur sieben Sachen! Da greift man sich schon an den Kopf. Nur! Sieben!! Wie viele Sachen soll man denn noch haben? Mehr als sieben ist doch schon rein mathematisch kaum mehr möglich. Wer Leute mit sieben Sachen vorlässt, hält stets auch die andere Wange hin und dann noch ein weiteres Mal die eine und anschließend noch mal die andere. Links, rechts, links! Klatsch, klatsch, klatsch!

Nie im Leben würde ich Leute mit sieben Sachen vorlassen. Auch nicht mit sechs, oder fünf oder vier. Mit einer Sache ganz vielleicht, wenn ich einen sehr guten Tag hätte. Aber auch nur dann. Würde mich eine Person wegen des absurden Ansinnens ansprechen, sie mit sieben (!) Sachen vorbeizulassen, würde ich sie scharf und verächtlich, jedoch nicht ohne Bedauern über ihren geistigen und moralischen Zustand anblicken. Einen kurzen Moment der Stille einkehren lassen, der das Folgende dramatisch unterstreicht.

Und nun leise antworten, betont leise, um ihr anzuzeigen, dass man ihr auf diese Weise generös eine öffentliche Blamage erspart, sie dieses eine Mal noch schont und nicht der Lächerlichkeit preisgibt, wie es weit eher angebracht wäre angesichts ihrer Wahnidee, irgendein Mensch, der auch nur halbwegs seine sieben Tassen im Schrank hätte, könnte sie mit ihren sieben Sachen vorlassen: „Das haben Sie jetzt nicht gesagt, oder?“

Und noch eine Pause. „Ich gebe Ihnen jetzt eine wunderbare Chance, die übrigens zugleich auch Ihre letzte sein wird: Wir beide tun jetzt einfach so, als hätten Sie das nicht gesagt. Als könnte man die Zeit gnädig zurückdrehen und Sie stünden weiterhin da, wo Sie hingehören: Ganz am Ende der Schlange, zusammen mit Ihren sieben Sachen, die Sie doch kaum in Ihren von den schwachen Signalen eines Spatzenhirns gesteuerten Pfoten halten können.“

Eventuell nutzte ich auch die Gelegenheit zu einer weiterreichenden Belehrung: Ob sie, die asoziale Alte, sich denn schon mal überlegt hätte, ob sie wirklich sieben (!!) Sachen bräuchte. Die Gletscher schmelzen, die Riffe sterben, die Ozeane ersticken im Plastikmüll. Womöglich wären wir alle gut beraten, es grundsätzlich bei sechs Sachen zu belassen, oder fünf oder vier.

Aber ich werde gar nicht gefragt, sondern die Frau ganz vorne. Die dreiste Siebensachentante spürt, dass sie bei mir auf Granit beißen würde. Also fragt sie lieber die Kundin vor mir. Allzumal sie auf diese Weise noch schneller ist. Und die sagt auch noch: Ja. Als hätte sie nicht nur alle Zeit der Welt, sondern könnte über die knappe Zeit der anderen Leidtragenden gleich noch beliebig mitverfügen. Während die sieben Sachen schier endlos über den Scanner laufen, schimpfe ich unhörbar vor mich hin.

Und ich koche immer noch, als mich unversehens die Kassiererin anspricht: „Sechzehn Euro fünfunddreißig, bitte.“ Sie möchte Geld von mir für die Waren, die ich in dem Laden kaufe, in dem sie angestellt ist. Das verstehe ich. Da werde ich langsam mal nach meinem Geld suchen müssen. Ein schwieriges Unterfangen.

Ich krame herum, während ich beschwichtigend die Schlange hinter mir anlächle. Ich hasse das ja selbst: Wenn die Tatsache, dass sie im Kaufladen bezahlen müssen, die Leute mit der Wucht eines Tropensturms überrascht und sie erst auf Nennung des Endpreises hin mit blöden Gesichtern nach ihrer Geldbörse zu wühlen beginnen. Aber ich kann ja nichts dafür; die mit den sieben Sachen hat mich völlig aus dem Konzept gebracht.

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