: Plüschpinguine, Rotweinflecken und eine halbe Tischtennisplatte
Der Umzug ist vollzogen. Der erste Tag im neuen Haus verläuft zwischen Chaos und Kommunikation
„Meine Brille funktioniert hier irgendwie nicht“, behauptet taz-Eins-Chef Gereon Asmuth in der Morgenkonferenz. Andere reagieren erschrocken, als sie sich zum ersten Mal im neuen Konferenzraum sprechen hören – diese Akustik! – ,und verstummen schnell. Die Tagesplanung nimmt denn auch nur knappe 15 Minuten in Anspruch. Machen wir was zu Football-Leaks? Erst mal herausfinden, wo der Sport sitzt.
Der Umzug ins neue taz-Haus in der Friedrichstraße 21 ist vollzogen, alle tazler*innen haben ihre Plätze hinter den vielen Kartons gefunden und – nach einigem Murren – auch eingenommen. „Bitte haltet euch an die beschlossene Sitzordnung“, mahnen die Chefs streng, andere ermuntern zu zivilem Ungehorsam: „Dieses Haus wird, was WIR daraus machen!“, so ein Onlinekollege eindringlich. Am Ende sitzen alle, wie geplant, schlicht weil die Computer und Telefone so angeschlossen sind.
Es herrscht aufgekratzte Verwirrung an diesem ersten offiziellen Arbeitstag. Vieles ist noch ungeklärt. Gibt es eine Mikrowelle? – Ja, im Fünften. Was sind das für Kameras an der Decke? – Wir werden gefilmt. Aha. Warum? Und wer guckt uns hier alles zu? Warum quietscht der Gummiboden so, und gibt es dafür Spezialschuhe? Und warum gehen eigentlich die Drucker noch nicht?
Im dritten Stock ist es noch ziemlich kahl, andere sind schon wohnlicher eingerichtet. Pflanzen, Poster, Sofas und Stofftiere – eine Plüschpinguinfamilie weist unmissverständlich auf die Dokumentation hin. Interessant sind die Flecken auf dem Beton im Treppenhaus: Rotwein von der Einzugs-Party, ein Anarchy-A. Ob das der Kollege war, der über „die klinische Start-up-Atmosphäre“ gelästert hatte? „Da kommt eh ein Läufer drüber“, sagt der Kultur-Kollege.
„Vier Fünftel der Belegschaft haben es gut getroffen“, findet ein Onlinekollege. „Wir sind die anderen.“ Ja, es ist eng im dritten Stock, namentlich da, wo die vorderen Seiten mit dem Onlineressort zusammensitzen. Die gefühlte Enge wird verstärkt durch die 157 Kartons, die auf dem Gang darauf warten, von ihren Besitzern ausgeräumt zu werden. Die meisten gehören dem Auslandsressort, wie die Aufschriften „Jeune Afrique“ oder „Sven Bücher“ verraten.
Die Kisten sorgen immerhin für ein bisschen Stauwärme; weil die „adiabatische“ Heizung noch nicht läuft, rennt die Hälfte der Belegschaft mit Mütze und Jacke rum. Nicht im Layout: Das freut sich, dass es „endlich Fenster gibt, die nicht auf den dunklen Hof mit den Mülltonnen weisen“.
Zum Aufwärmen steht in der „Kathedrale“, einem Riesenraum im sechsten Stock, eine Tischtennisplatte. taz-typisch fehlt ihr aber noch ein Netz, und Schläger liegen auch nirgends rum. Aber sie trägt zur guten Stimmung bei. Genau wie die neuen Wasserspender mit drei verschiedenen Sprudelstufen! In jedem Stockwerk! Im fünften, so die Legende, soll Champagner rauskommen. Beim Faktencheck erweist sich das als Fake News, die EDV wirkt nicht beschwipst.
Dabei herrscht hier so viel Transparenz: Eigenbrötlertum, wie es die alte taz mit ihren Kabuffs und dunklen Ecken möglich machte, ist hier schon wegen der ominösen Kameras schwierig zu entwickeln.
Insgesamt wird für taz-Verhältnisse wenig gemeckert. Gejubelt wird zwar auch nicht gerade (am wenigsten begeistert Umfragen zufolge der 80er-Jahre-Noppenboden). Aber das liegt vielleicht nur an den noch nicht funktionierenden Brillen.
Sunny Riedel, taz-Neubau
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