: Die üblichen Theatertricks
Eher undurchsichtig: Armin Petras inszeniert am Deutschen Theater sechs Kurzgeschichten von Clemens Meyer
Von René Hamann
Eine der gar nicht so unausgesprochenen Regeln der Filmkritik lautet: Erzählstimmen aus dem Off sind meist ein Zeichen für nicht so gute Filme. Gilt das auch für das Theater? Im Zweifel ja. Dramatisiert man aber einen Stoff, der an sich nicht dramatisch angelegt ist, sondern eher konventionell erzählt, muss man da Lösungen finden. Armin Petras hat sich jetzt sechs Kurzgeschichten von Clemens Meyer, einem ohnehin am Deutschen Theater gern gesehenen Gast, vorgenommen („Die stillen Trabanten“, Premiere am Sonntag): Er zwingt die Schauspielenden immer wieder dazu, nach vorne zu treten und Erzähltext abzuliefern. Was dann meist Personenbeschreibungen, Situationsbeschreibungen sind. Funktioniert dann tatsächlich regelgemäß nicht so gut.
Der andere Trick, einen Erzählstoff auf die Bühne zu bringen, besteht im Schaffen von Atmosphäre. Kann Petras, macht er – auch mittels der sehr gut eingesetzten Musik von Miles Perkin – hier auch ausgiebigst. Da rieselt dann leise der Schnee zu einem dramatischen Thema auf dem Kontrabass; oder die Schauspieler bleiben lange schweigend stehen, während sie von der Drehbühne einmal herumrotiert werden. Theatertricks. An sich nicht schlimm, da kommt es dann eher darauf an, ob das Stück das Pathos, die überbordende Bedeutung auch hergibt. Und da ist der Stoff von Clemens Meyer natürlich normalerweise ein dankbarer. Meyer kann das: Pathos, Sozialromantik, Menschenwärme in harten Verhältnissen, in harten Zeiten produzieren. Es ist auch das, was die Verfilmungen seiner Geschichten trägt, sowohl zum Beispiel „Als wir träumten“ (von Andreas Dresen, 2014), als auch „In den Gängen“ (mit Peter Kurth, von Thomas Stuber, 2018). Auch das gibt es in den „Stillen Trabanten“ wieder reichlich: harten, sozialen Realismus, aufgebrochen durch menschliche Regungen. Gut, wenn man da eine dunkeldeutsche Vergangenheit hat und Ost-Tristesse von innen kennt.
Die, wenn man so will, höhere Methode jedoch wäre eine der konstruktiven Dekonstruktion: das Erzählstück auseinandernehmen, und anders und neu zusammensetzen. Armin Petras hat diese Inszenierung klug in sechs Teile geteilt, denen sechs Geschichten zugrunde liegen. Das entscheidende Stück ist das mittlere, „Der kleine Tod“, das letzte vor der Pause: Hier feiert sich die Besetzung, hier wird auf Atmosphäre und Off-Stimme weitgehend gepfiffen, hier herrscht das Chaos, die Komik, die Überdrehung. Petras erreicht hier eine Metaebene, die sich sogar über die eigene Theaterhaftigkeit lustig machen kann – wann hat man das zuletzt im Theater gesehen? Ironisches Theater, ein Theater, das sich über sich und seine Mittel lustig macht? „Der kleine Tod“ ist das Kernstück dieser Inszenierung – die anderen, konventionellen, dramatischeren Teile fallen dagegen ziemlich ab.
Mit Ausnahme des Stücks „Späte Ankunft“, des zweiten Teils, der von einer sich anbahnenden Liebe zwischen zwei Durchschnittsfrauen aus Schönefeld erzählt. Eine Frisörin verliebt sich in eine Reinigungskraft, die bei der Bahn arbeitet. Beide vom Leben gezeichnet, beide nicht mehr ganz jung. Den Soundtrack dazu liefert Uriah Heeps „Lady in Black“. Anja Schneider und Katrin Wichmann spielen das hervorragend, wie man überhaupt der Besetzung durch das gesamte Stück hindurch überaus gerne zusieht. Es ist ausgerechnet Peter Kurth, der Mann mit der lustigen Nase, der Star aus der Fernsehreihe „Babylon Berlin“, der hier oft unter Niveau spielt; vielleicht liegt es daran, dass er im Flimmerkasten als wechselweise eiskalter und menschlich warmer Kommissar besser wirken kann als in einem Umfeld, in dem er klein wirkt und höchstens einmal (in der letzten Szene als Imbissbudenbetreiber) berufsjugendlich; wenn er sich wie die anderen auch nicht scheut, sich selbst auf die Schippe zu nehmen (natürlich im besagten Teil „Der kleine Tod“).
Sonst? Die Bühne (Olaf Altmann) ist einfach gehalten; Trennwände mit Holzvertäfelungsmustern hängen einzeln in die Bühne herab, ansonsten wird gerne an der Drehbühne geschraubt, zu einem Videoeinsatz kommt es nicht. Clemens Meyers Sozialromantik darf mal aufscheinen, verliert sich aber sonst auch gern in der inszenierten Theaterhaftigkeit. Richtig schlau wird man aus Armin Petras’ Konzept nicht – was ihn angetrieben hat, sich mit der Welt des Leipziger Unterschichtenschriftstellers auseinanderzusetzen, bleibt unklar. Weder kann das Stück die Romantik des Einfachen reproduzieren. Noch verhält es sich eindeutig zu den eigenen Ideen.
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