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Echte Hamburger bis in den Tod

Mit dem „Hamburger Grab“ begegnet der Friedhof Ohlsdorf einerseits dem Trend zu kostengünstigen Grabstätten. Andererseits appelliert das Angebot an den in Hamburg verbreiteten Lokalpatriotismus – und an das Bedürfnis nach ein bisschen Ewigkeit

Von Katrin Seddig

Es gibt das Berliner Testament, den Münchener Kommentar, das Frankfurter Brett, die Darmstädter Currycauce, den Kölner Karneval und jetzt endlich das Hamburger Grab. Städte brauchen ihre Fans. Denn Städte brauchen Menschen, die bereit sind, in diesen Städten glücklich zu werden.

Hamburg ist eine Stadt, die es geschafft hat, einen gewissen Stolz in ihren Menschen heranzuzüchten. Die meisten Menschen geben gerne zu, dass sie aus Hamburg kommen oder sogar echte Hamburger sind. Ich bin keine echte Hamburgerin, weil ich nicht in Hamburg geboren bin. Aber ich könnte in Hamburg beerdigt werden und sogar, wenn es das dann noch gibt, Nutznießerin eines Hamburger Grabes werden. Es stellt sich vielleicht manchem die Frage, inwieweit eine Sache nach dem Tode noch genossen werden kann. Aber ein Grab ist bekanntlich keine Sache für den Toten, sondern eine Einrichtung für die Hinterbliebenen. Die Hinterbliebenen laufen auf den Friedhof, um die Blumen zu gießen und bezahlen das Grab. Denn ein Grab kostet Geld. Das ist vielleicht das Beste an einem Grab für den Verstorbenen – die vor seinem Tode empfundene Genugtuung, dass er die Hinterbliebenen noch Geld kostet.

Aus diesem Grunde, weil ihnen solche Gefühle fremd sind, entscheiden sich allerdings auch andere für eine günstige Variante. Sie möchten eingeäschert und anonym beerdigt werden. Mein Vater hatte eine solche Beisetzung verfügt. Wir müssen nun weder etwas bezahlen noch pflegen. Andere gehen aber gerne auf den Friedhof, um sich an die Verstorbenen zu erinnern. Ich gehe gerne auf dem Friedhof Ohlsdorf spazieren, weil er romantisch und ein Ort der Ruhe ist. An meinen Vater denke ich, wenn er mir in den Sinn kommt.

Die Friedhöfe aber leiden zunehmend unter der Sparsamkeit und dem Pragmatismus der modernen Familien. Deshalb gehen sie nun „neue Wege“. Es gab in diesem Jahr einen bundesweiten Wettbewerb: „ Neue Wege auf dem Friedhof“, den hat das städtische Unternehmen „Hamburger Friedhöfe“ mit seinem Konzept des „Hamburger Grabes“ direkt gewonnen. Mit dem „Hamburger Grab“ liegen die Hamburger in Deutschland also weit vorn. Es soll so eine Art Kompaktpaket sein, in Preis und Ausstattung, und neben den gebündelten Kosten auch einen handgefertigten Hamburger Gedenkziegel enthalten. Als echter Hamburger auch hamburgisch begraben.

Ich kann mir vorstellen, dass dieses Konzept Erfolg hat. Die Menschen neigen in der heutigen Zeit wieder dem Patriotismus zu, aber wenn ihnen auch bestimmte deutsche Regionen suspekt sind, der Osten zum Beispiel, so ist ihnen doch die Heimatstadt für dieses warme Gefühl ausreichend. Das nennt man dann wohl Lokalpatriotismus. In Hamburg ist das nicht verpönt. Da gibt es sogar einen noch kleineren Patriotismus, den Stadtteilpatriotismus, besonders ausgebildet im Stadtteil St. Pauli, wo man gleichzeitig mit seinem Stadtteil auch noch seinen Fußballverein in T-Shirts, Pullovern, Fahnen, Aufklebern und Liedern feiert.

Den Menschen ist die Heimatstadt für das warme Gefühl des Patriotismus ausreichend

Manch einer legt nicht so viel Wert darauf, Hamburger zu sein, weil es in Hamburg durchaus Verachtenswertes gibt, aber St.-Paulianer ist er gern und bekennend, obwohl es da auch viel Verachtenswertes gibt, aber das macht ihm nichts aus. Jedenfalls ist diese lokalpatriotische Möglichkeit, sich beerdigen zu lassen, sicherlich eine attraktive Möglichkeit für manch einen Mitbürger. Denn sie führt zusammen, was die Menschen sich am meisten im Leben und sogar nach dem Tode wünschen: Die Möglichkeit, Geld zu sparen, verbunden mit der Möglichkeit, etwas darzustellen. Dinge, die ansonsten ja nicht so gut zusammengehen. Außer wenn man gefälschte Markenartikel kauft, und so tut, als wären sie echt.

„Meine Stadt, meine Heimat, mein Hafen“, heißt das auf der Website friedhof-hamburg.de. Und was wirklich irre ist: „Darüber hinaus erscheinen Namen und Lebensdaten des Verstorbenen auf einer Tafel direkt am Forum Ohlsdorf unweit des Café Fritz. Diese Tafeln bestehen auch dann fort, wenn die Grabstätten nach dem Ende der Ruhezeit von 25 Jahren nicht verlängert werden.“ Fast auf ewig also wird der Toten gedacht, auf hanseatische Art und Weise. Als wäre man eine ganz besondere Persönlichkeit gewesen, die für die Stadt besonders bedeutend ist. Und wird man dann nicht dazu? Eine Hamburger Persönlichkeit? Wenn ich mir vorstelle, dass mein Name einst an dieser Tafel steht, obwohl ich noch nicht einmal in Hamburg geboren worden bin.

Das wäre schon was. Ich denke, das kann man den Leuten anbieten. Da bekommen sie sehr viel für – wir wissen noch nicht wie viel – Geld. Was aber titelt die Mopo dazu? „Jetzt kommen die Günstig-Gräber.“ So kann man mit einer Schlagzeile alles kaputt machen. Das ganze Renommee, den Stolz, das ganze Stadt-Heimat-Hafen–Dings. Da heißt es dann am Ende: Oma kommt ins Günstig-Grab. Günstig ist ein nettes Wort für Billig. Dass die Presse immer alles kaputt machen muss.

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