: Der Topaz ist im Kommen
Im September werden im Alten Land 285.000 Tonnen Äpfel geerntet – meist aus integriertem, selten aus ökologischem Anbau. Auch alte Apfelsorten werden mancherorts wieder kultiviert
von Christoph Behrends
Peter Quast bringt es auf den Punkt: „Bio ist Quatsch für mich“, sagt der Altländer Obstbauer kategorisch. Allerdings: Die Zeiten, in denen die Landwirte mit Atemmaske und Sprühflasche durch ihre Apfelplantagen zogen, sind im Alten Land schon seit 20 Jahren vorbei. Auch Quast hat sich längst für den integrierten Anbau entschieden.
Im September werden im größten zusammenhängenden Obstbaugebiet Europas kurz hinter Hamburg etwa 285.000 Tonnen Äpfel geerntet. Das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr, was auch daran liegt, dass es diesmal wenig Frost zur Blütezeit gegeben hat. Jährliche Schwankungen „zwischen 165.000 und 320.000 Tonnen“ seien normal, sagt Matthias Görgens, Gartenbauwissenschaftler und Ökonom am Obstbau- Versuchs- und Beratungszentrum (OVB) in Jork: „Der Ertrag hängt stark vom Wetter während der Blütezeit ab.“
Mit Marienkäfern Läuse bekämpfen
Das Obst aus dem Alten Land stammt zum Großteil aus integriertem Anbau, bei dem Schädlinge mit ihren natürlichen Gegenspielern bekämpft, zum Beispiel Marienkäfer gegen Läuse eingesetzt werden. Vor der ökologischen Variante hingegen schrecken viele Apfelbauern noch zurück. Während im integrierten Anbau Chemikalien eingesetzt werden dürfen, müssen Bio-Obstbauern auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel verzichten. In den Augen Quasts ist das unsinnig, weil seine Bio-Kollegen diesen Verzicht durch mehr Arbeit und Maschineneinsatz ausgleichen müssen.
Gerade mal vier Prozent der Obstbaubetriebe haben sich bislang für den ökologischen Anbau entschieden. „Für Familienbetriebe bedeutet eine Umstellung ein erhöhtes Risiko und mehr Unsicherheit bei den Erträgen“, erklärt Görgens die überwiegende Abstinenz. „Außerdem muss man auch einstellungsmäßig davon überzeugt sein.“
So wie Biobauer Heinrich zum Felde. Er hat sich vor zehn Jahren für die umweltfreundlichere Variante entschieden, weil er „mehr Ökologie statt mehr Ökonomie“ wollte: „Wir haben uns geweigert, Kontakt zu chemischen Mitteln zu haben und verfolgen seitdem einen ganzheitlichen Ansatz.“ Nun baut er neben Elstar, Holsteiner Cox und Ambassy die Biosorten Topaz und Antares an.
„Topaz ist die Sorte im Biolandbau geworden“, erklärt zum Felde. Der Herbstapfel, der zunächst eine Lagerphase zum Säureabbau braucht und erst im November oder Dezember zum Verzehr geeignet ist, zeichnet sich durch hohe Robustheit aus und ist daher gut für den ökologischen Anbau geeignet. Görgens bestätigt: „Der Topaz ist im Kommen.“
Herbstprinz im Hintertreffen
Andere Äpfel dagegen, zum Beispiel Tydeman‘s, Gravensteiner oder Finkenwerder Herbstprinz geraten ins Hintertreffen. „Wir bauen über 100 Sorten an“, sagt Obstbauer Quast. Die meisten davon seien allerdings nur für die Kunden auf dem Wochenmarkt bestimmt. Auf dem größten Teil seiner Fläche wachsen die gängigen Sorten Elstar und Jonagold. „Wir müssen schließlich auch unser Geld verdienen“, erklärt er. „95 Prozent der Vermarktung gehen heute über Supermärkte, und die wollen nur die Hauptsorten haben.“ Immerhin: Viele Verbraucher legten inzwischen Wert darauf, Obst aus der Region zu kaufen.
Im Alten Land machen Elstar und Jonagold mehr als die Hälfte der jährlichen Apfelernte aus. Sie lassen sich gut lagern und gedeihen im Seeklima prächtig. Daneben reifen Holsteiner Cox, Boskoop, Gloster und Cox Orange und in kleinen Mengen auch Ingrid Marie, Braeburn, Gala sowie Frühäpfel. Und die so genannten alten Sorten, die durch den auf immer höhere Erträge getrimmten Anbau weitgehend verdrängt wurden.
Diese selten gewordenen Apfelsorten zu erhalten und der Monotonie im Angebot entgegenzuwirken, hat sich Eckart Brandt zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen seines Boomgarden-Projekts sammelt der Biobauer aus Engelschoff alte Apfelsorten – „weil sie Kulturgüter sind“, erklärt der studierte Historiker. Auf seinem Grundstück wachsen Finkenwerder Herbstprinz, Wohlschmecker aus Vierlanden, Peter Markus oder Vierländer Blut. Die alte Sorten seien besonders für Laien interessant „weil die so robust sind, dass sie nicht gespritzt werden müssen und der Baum für den eigenen Bedarf genug abwirft“, sagt Brandt. Zudem seien einige Sorten eher zum Backen oder Kochen als zum direkten Verzehr geeignet.
Trotzdem muss auch Brandt sich dem Diktat des Marktes beugen und neben den seltenen alten auch die gängigen Hauptsorten anbieten. „Leider ist auch bei Bioanbau Ertragsoptimierung das Ziel“, sagt Brandt und lacht: „Manchmal sage ich aus Jux: ich bin Retrofuturist.“