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Abschied nach dem Desaster

Nach der 1:5-Pleite im Ligaspiel beim FC Barcelona setzt Real Madrid auf einen autoritären Charakter auf dem Trainerstuhl

Aus Barcelona Florian Haupt

Während draußen die Autos hupten und die Menschen immer wieder die fünf Finger für fünf Tore zeigten, sprach Julen Lopetegui in der Gästeumkleide des Camp Nou zu seinen Spielern. Er haben ihnen für die letzten viereinhalb Monate gedankt, hieß es, und sich verabschiedet – „für den Fall der Fälle“.

Dass der mit dem 1:5 (0:2) beim Erzrivalen FC Barcelona für den Trainer von Real Madrid eingetreten war, galt zu diesem Zeitpunkt als so sicher wie das Amen in der Kirche. Seit Tagen soll der Baske klubintern nur noch als „Zombie“ bezeichnet worden sein, und die Frage, ob er das Ruder nach über einem Monat ohne gewonnenes Ligaspiel noch einmal herumreißen könnte, war fulminant verneint worden. Zu regelrechten Panikattacken führte Reals Grauen bei dem Gedanken daran, wie schlimm es wohl mit Lionel Messi gekommen wäre. Doch der Barça-Star saß mit gebrochenem Unterarm ja nur auf der Tribüne. Neben seinem ältesten Sohn und der ältesten Tochter seines Busenkumpels Luis Suárez amüsierte er sich prächtig, unter anderem über einen Hattrick ihres besonders grandios aufspielenden Vaters.

„Lopetegui quédate“ („Bleib!“), sangen derweil die Leute im Camp Nou, oder „Lopetegui selección“: Lopetegui für Spanien. Das war bitterböse, denn mit der Nationalelf hat es sich der Trainer im Sommer für alle Zeiten verscherzt, als er sein Ja für Madrid so ungeschickt managte, dass er zwei Tage vor WM-Beginn gefeuert wurde. Nun sah er seine Mannschaft beim Vormittagstraining am Montag zwar doch noch einmal – aber das verlängerte nur die Agonie. Zum zweiten Mal binnen einem halben Jahres endet Lopetegui gedemütigt. Damals ein plötzlicher Tod, jetzt ein öffentliches Dahinsiechen. Von der Vereinsführung alleingelassen, von seinen Spielern während einer hergeschenkten ersten Halbzeit verraten. „Das 1:5 steht für unsere Saison“ räumte Mittelfeldspieler Casemiro ein, „wir sind ein Desaster, alle“.

Real Madrid hat öfter verloren als gewonnen und rangiert in der Tabelle auf Platz neun. Da war es schon fast absurd, dass sich Lopetegui im Pressesaal des Camp Nou erneut zu der seit Wochen missbrauchten These verstieg, im Prinzip fehle nur das Glück.

Allerdings scheiterte Lopetegui nicht nur an Naivität, fehlender Fortune und fremden Fehlern, sondern auch in seinem Kerngebiet, der Trainerarbeit – wie der Blick auf sein Gegenüber vom Sonntag verdeutlicht. Ernesto Valverde hatte letztes Jahr die Meisterschaft dominiert, weil er den traumatischen Abgang Neymars im Kollektiv und mit einer umso stabileren Defensive auffing. Gleiches gelang nun im Clásico. Ohne die langjährigen Stützen Neymar, Xavi, seit Beginn dieser Saison auch Iniesta und noch dazu Messi klang Barcelonas Startelf mit ihren Lenglets, Rafinhas, Arthurs und Sergi Robertos so unglamourös wie lange nicht. Sie erwies sich als umso wettbewerbsfähiger.

Eine solche Trainerhandschrift soll nun in Madrid nach übereinstimmenden Medienberichten der Italiener Antonio Conte einbringen. Bei Juventus Turin legte er mit drei Meisterschaften den Grundstein zur aktuellen Erfolgsepoche, Italiens talentfreie Nationalelf ließ er bei der EM 2016 wie ein Spitzenteam aussehen, mit Chelsea gewann er auf Anhieb die Premier League – zweifelsohne handelt es sich um einen der besten Europas. Sowie um einen autoritären Charakter, der mit Soldaten immer besser konnte als mit Stars.

Angesichts der Formschwäche – im günstigen Fall – oder Dekadenz – im ungünstigeren – von Leistungsträgern wie Sergio Ramos, Varane, Kroos, Modric, Bale und Benzema sehnt sich Präsident Florentino Pérez genau nach dieser harten Hand. „Muss ein Despot kommen, damit diese Spieler sich aktivieren und mit einem Mindestmaß an Einsatz funktionieren?“, fragt dazu der Leitartikel der klubnahen Sportpostille Marca und gibt gleich die Antwort: „Leider scheint es so“.

Einfach wird es Conte oder jeder andere nicht haben. Bevor es in Barcelona zum Flughafen ging, übersandte Ramos den Gruß einer Mannschaft, die – auch wenn man es ihr derzeit nicht ansieht ­– zuletzt dreimal die Champions League gewann. „Respekt erzwingt man nicht“, sagte der Kapitän. „Man gewinnt ihn“.

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