piwik no script img

Ein Pieks für mehr Gewissheit

Wer befürchtet, sich mit HIV angesteckt zu haben, kann sich neuerdings zu Hause selbst testen. Expert*innen hoffen, dass dadurch die Zahl der unwissentlich infizierten Menschen gesenkt werden kann. Davon gibt es nicht wenige

Von Marthe Ruddat

Seit Anfang des Monats sind in Deutschland HIV-Selbsttests frei verkäuflich. Bisher mussten Menschen für einen solchen Test einen Arzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen. Dank einer Änderung der Medizinprodukteabgabeverordnung kann nun jede und jeder zu Hause selbst testen, ob sie oder er sich mit dem HI-Virus infiziert hat.

„Wir hoffen, nun auch die Menschen zu erreichen, die wir bisher noch nicht erreicht haben“, sagt Michael Rack von der Aids-Hilfe in Hamburg. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts leben in der Stadt etwa 870 Menschen, die mit HIV infiziert sind, davon aber nichts wissen. In Schleswig-Holstein wird die Zahl solcher Fälle auf rund 330 geschätzt, bundesweit dürften etwa 13.000 Menschen unwissentlich mit HIV infiziert sein. Hinzu komme, dass etwa die Hälfte aller HIV-Diagnosen sogenannte Spätdiagnosen seien, sagt Rack. Die Menschen seien dann bereits an Aids oder anderen schweren Immunerkrankungen erkrankt.

Von der Möglichkeit, sich selbst auf die Infektion zu testen, profitieren laut Rack vor allem Menschen, die sich bisher aus unterschiedlichen Gründen nicht haben testen lassen. Manche würden sich nicht trauen, ihren Arzt auf eine mögliche Infektion anzusprechen. Aber etwa auch Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, können den Selbsttest ganz bequem im Internet kaufen und zu Hause selbst durchführen. Er ist darüber hinaus in Apotheken, Drogerien und Beratungsstellen erhältlich; der Preis liegt bei etwa 20 Euro. Beim Kauf sollte auf das CE-Prüfzeichen geachtet werden: Nur Tests, die es tragen, sind in Europa für die Anwendung durch Laien zugelassen.

Zu beachten ist auch die sogenannte diagnostische Lücke: Erst drei Monate nach einer Infektion kann ein Heimtest sie auch nachweisen – oder eben definitiv ausschließen. Der Grund ist, dass diese Schnelltests meist nur HIV-Antikörper nachweisen, also die Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion, nicht aber Bestandteile des Virus selbst.

„Wer einen HIV-Selbsttest durchführen möchte, sollte zunächst einmal den Beipackzettel genau lesen“, sagt Rack. Alle Utensilien sollten dann auf einer sauberen Oberfläche ausgebreitet werden. Das Test-Kit enthält ein Wattepad zur Desinfektion und ein kleines Stechgerät. Für die meisten Tests reicht schon ein einziger Tropfen Blut aus; dieser Tropfen wird auf das Testgerät gegeben. Und dieses zeigt nach rund zehn Minuten das Ergebnis an.

Doch selbst wenn dieser Test positiv ausfällt, sei das noch keine HIV-Diagnose, sagt Rack. „Jedes positive Ergebnis muss unbedingt durch einen weiteren Test beim Arzt bestätigt werden.“ Denn fälschliche positive Ergebnisse sind nicht auszuschließen – auch wenn entsprechend zugelassene Tests eine hohe Zuverlässigkeit erzielen.

Darüber hinaus ist ein frühzeitiger Therapiebeginn bei einer HIV-Infektion entscheidend: Rechtzeitig behandelt, haben Betroffene heutzutage fast die gleiche Lebenserwartung wie nicht infizierte Menschen. Wird die Infektion behandelt, ist sie auch nicht mehr übertragbar.

„Die Selbsttests sind nur ein Baustein in der gesamten Präventionsarbeit“, sagt denn auch Michael Rack von der Aids-Hilfe. „Das bisherige Beratungsangebot bleibt bestehen.“ Wer den Test nicht alleine durchführen möchte, kann sich an die Beratungsstellen der Aids-Hilfe wenden und den Test dort in Begleitung durchführen. Es gibt dazu auch anonyme Angebote per Telefon, Chat oder Mail. Das Paul-Ehrlich-Institut – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel hat darüber hinaus extra eine Website eingerichtet, auf der alle Informationen zu den zugelassenen Selbsttests und auch Erklärvideos über die korrekte Anwendung zu finden sind: www.pei.de/hiv-selbsttests. Informationen finden sich zudem etwa auch im Online-Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

In anderen Ländern, beispielsweise Frankreich, Großbritannien und Australien, wurden mit den Selbsttests bereits gute Erfahrungen gemacht. Die Aids-Hilfe weist auf Studien hin, denen zufolge sich viele Menschen erstmals – oder auch häufiger – testen ließen. Ausgeblieben seien dagegen die oft befürchteten Überreaktionen auf ein positives Ergebnis. Und die positiv selbst getesteten Menschen begäben sich schneller in Behandlung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen