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Pferde aus Sternenstaub

Der Circus Roncalli hat keine Tiere mehr. Stattdessen schweben jetzt Hologramme durch die Manege

Imposant wie ein echter Elefant: Hologramm bei Roncalli Foto: Bernhard Schösser

Von Andrea Maestro

Die Pferde, die im Circus Roncalli im Kreis der Manege traben, leuchten hell. Sie sind nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht. Ihr Schöpfer, der Zirkusdirektor Bernhard Paul, nennt das „Sternenstaub“. Die Pferde sind Hologramme, die mit elf Laserbeamern im dunklen Zelt auf einen kaum sichtbaren Stoff projiziert werden. Auch ein großer Elefant und ein Goldfisch werden so Teil der Show im Circus Roncalli. Echte Tiere gibt es hier seit diesem Jahr nicht mehr – auch aus Tierschutzgründen.

Roncalli gastiert in Großstädten. „Dort gibt es kaum noch Grün. Wo früher Wiesen neben den Plätzen waren, sind heute nur Parkplätze“, sagt Zirkusdirektor Paul. Die Straßenbahnen führen in der Nähe vorbei und ließen den Boden vibrieren. Die sechs Ponys, die der Zirkus zum Schluss noch hielt, hätten da nicht zur Ruhe kommen können.

Wildtiere gab es bei Roncalli schon lange nicht mehr, nur noch die Ponynummer. Der Zirkus befragte seine Zuschauer: Würden Sie die Tiere vermissen? Die Antwort lautete: Nein. „Die Branche ist im Umbruch“, sagt Paul, der ein häufiger Gast in Talkshows ist und seinen Zirkus zu vermarkten weiß. Roncalli arbeitete schon mit Musikbands zusammen, richtete die „Höhner Rockin’Roncalli Show“ oder „Ron-Kelly“ aus, tritt mit Shows auf Kreuzfahrtschiffen auf und besitzt auch einen historischen Jahrmarkt.

Viele Zuschauer, gerade die jüngeren, wollten keine Löwen, Tiger oder Elefanten mehr im Zirkus sehen, sagt Paul, der Roncalli 1975 mitgegründet hat. Mit den Alten aussterben solle sein Zirkus nicht.

Mittlerweile herrsche die Meinung vor, dass Tiere im Zirkus leiden würden. Er führt das auf eine „Hetzkampagne von Peta“ zurück. Gegen den klassischen Zirkus mit Tieren ist er nicht.

Für sich selbst hat er aber anders entschieden. In jeder größeren Stadt gebe es einen Zoologischen Garten. „Da müssen die Tiere nicht reisen“, sagt der Zirkusdirektor. „Warum soll ich mir einen Käfigwagen hinstellen, wo ein Bär drin ist?“ Niemand wolle das sehen, wenn man stattdessen in den Zoo gehen könne.

So eine gesellschaftliche Entwicklung könne nicht spurlos am Zirkus vorbeigehen. „Wir haben auch mal Raubtiere gehabt, aber die Zeiten ändern sich.“ Schließlich habe niemand vorgeschrieben, wie ein Zirkus auszusehen hat. Im Gegenteil: Zirkusse hätten sich immer weiter entwickelt, wenn es etwas Neues gab, das die Menschen begeisterte. Und Paul hat viele neue Ideen.

Der tierfreie Zirkus ist ein Erfolg. Die Show ist oft ausverkauft. „Wir haben Tausende Briefe und Mails bekommen“, sagt Markus Strobl, der Pressesprecher von Roncalli. „Die Menschen haben uns gratuliert und gesagt, dass sie jetzt wieder in den Zirkus gehen können.“ Die Zuschriften kamen nicht nur von Menschen, denen der Tierschutz wichtig ist, sondern auch von Allergikern. „Daran hatten wir überhaupt nicht gedacht“, sagt Strobl.

Die Ponys, die seit 2018 nicht mehr bei Roncalli auftreten können, lebten nun in einem Safari-Park bei Bielefeld auf einer Koppel, sagt Strobl. „Sie machen dort auch noch Shows, leben aber im Grünen.“

Paul will nun alle zwei Jahre ein komplett neues Programm in die Manege bringen. In der Branche wird er kritisiert. Ein Zirkus ohne Tiere sei nicht mehr als ein reisendes Theater, ist von anderen Betreibern zu hören. Paul sagt, ihm sei das egal. Die Kinder im Publikum seien von seinen Tieren aus Sternenstaub begeistert. „Das bewegt sie viel mehr, als wenn da ein echtes Pony im Kreis läuft.“

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