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„Räume für Kreativität schaffen“

Um auf neue Ideen zu kommen, sollte man nicht nur am Schreibtisch sitzen, so Psychologin Beatriz Arantes

taz: Frau Arantes, der Anspruch, im Beruf ständig über das Smartphone erreichbar zu sein, belastet viele Menschen. Lässt sich das überhaupt lösen?

Beatriz Arantes: Außerhalb der typischen Bürostunden erreichbar zu sein, ist dann okay, wenn ich um diese Zeit ohnehin gerne arbeite. Umgekehrt braucht ein Mensch aber auch die Freiheit zu sagen, wann er Ruhe nötig hat. Jeder Mensch sollte bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden können, wann er konzentriert arbeiten, sich mit anderen austauschen oder einfach Ruhe haben möchte. Ob ich nun per Videokonferenz oder E-Mail mit Menschen am anderen Ende der Welt kommuniziere oder direkt vor Ort, macht nicht zwingend einen Unterschied. Umgekehrt gilt: Ich kann auch mit Menschen in einem Raum sitzen, ohne dass ein Austausch stattfindet.

Und wie kann man die passende Balance erreichen?

Da ist der Umgang von Arbeitgebern mit ihren Mitarbeitern entscheidend. Wenn beide Seiten einen Weg finden, der alle Bedürfnisse berücksichtigt, ist das eine Win-Win-Situation: Wer seine Freizeit und Ruhe genießen kann, arbeitet nicht nur gerne, sondern auch besser. Ein Smartphone – oder auch andere technische Hilfsmittel – können jedem Einzelnen mehr Spielraum geben – zeitlich und räumlich. Unsere unmittelbare Umgebung kann uns im besten Fall zusätzlich inspirieren.

Ist es denn wünschenswert, dass die Trennung von Arbeit und Freizeit nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich verschwimmt?

Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen, ist schon wichtig, kann aber flexibel gehandhabt werden. Wenn das bedeutet, persönliche Freiheiten zu nutzen, führt das zu besserer Lebensqualität. Wer diese zeitlichen und räumlichen Freiheiten hat, muss aber auch lernen, damit umzugehen. Viele Leute wollen ja nicht mehr einen fest getakteten 9-to-5-Job machen. Und wenn man mit seinem Laptop im Grünen statt im Büro arbeiten kann, ist das ebenso von Vorteil.

Bei Ihrem Einsatz beim Büromöbelhersteller Steelcase kam heraus, dass die Mitarbeiter keine festen Arbeitsplätze mehr haben. Jeder sucht sich einen Ort seiner Wahl. Das wird nicht allen gefallen.

Wir haben uns mit den Leuten zusammensetzt und genau angeguckt, wer welche verschiedenen Tätigkeiten erledigt. Daraus ergab sich dann bei einer Analyse, wer welche Arbeitsbedingungen benötigt. Und das ist eben nicht immer der Schreibtisch. Permanent vor dem Rechner zu sitzen, lässt nicht unbedingt die guten Ideen sprudeln. Vielleicht ist mal der Austausch an einem Stehtisch oder eine Ruhezone für die Konzentration wichtig. Unser Ziel ist es, Raum für Kreativität zu schaffen. Da wir uns mit allen auseinandersetzt haben, konnten wir auch die skeptischn Leute überzeugen. Entscheidend ist, die eigenen Voraussetzungen für kreatives Schaffen zu erkennen.

Interview: Lars Klaaßen

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