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Archiv-Artikel

Hat Bremen vor Gericht eine Chance?

Der Streit um weitere Sanierungsansprüche für Bremen ist ein höchst komplexes Pokerspiel. Der Bremer Anspruch auf weitere Hilfezahlungen könnte von einem größeren Eigenbeitrag abhängen, sagt der Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum

Von kawe
„Wenn das Gericht nur haushaltsrechtlich denkt, haben wir keine Chance“

Bremen taz ■ Wie groß sind die Chancen, dass das Bundesland Bremen vom Bundesverfassungsgericht seinen Anspruch auf weitere erhebliche Finanzhilfen gegen Bundesregierung und Länder bestätigt bekommt? Die Frage ist elementar für die Unabhängigkeit Bremens. Gleichzeitig sind Bremens Politiker dabei unsicher wie nie zuvor.

Denn Bremen hat hoch gepokert, hat sich mit dem Geld der anderen eine extrem hohe Investitionsquote geleistet und damit nicht nur Neid und Ärger provoziert, sondern auch den Vorwurf, die aktuelle Lage sei nicht ganz unverschuldet. Während Bremen sich weiter ein Sonderinvestitionsprogramm von 250 Millionen Euro im Jahr leistet, verwendet das Saarland nur 80 Millionen der virtuell eingesparten Zinsen für Investitionen – 240 Millionen werden zum weiteren Schuldenabbau verwendet. Gerade hat der saarländische Kultusminister die Schließung von 80 der 240 Grundschulen angekündigt, der Theater-Etat soll von 24 auf 18 Millionen Euro reduziert werden – undenkbar in Bremen. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller kann stolz darauf verweisen, dass sowohl der Schuldenberg wie die Zins-Steuer-Quote an der Saar im Sanierungszeitraum gesunken sind – in Bremen nicht.

„Wirtschaftlich gesehen steht sich das Saarland besser, rein verfassungsrechtlich für den Hilfeanspruch dadurch aber schlechter“, formuliert Bremens Finanzsenator Ulrich Nußbaum das Paradox.

Das Saarland hat trotz seiner besonderen Sparsamkeit im Vergleich zu Bremen keine schlechteren volkswirtschaftlichen Kennziffern. „Das BMF hat immer die These vertreten, dass die Länder für ihre Sanierung selbst verantwortlich sind“, weiß Nußbaum: „Wenn die Länder sagen, dass das nicht zum Erfolg geführt hat, ist das nicht sein Problem, sagt Hans Eichel. Wenn ich mit Eichel darüber rede, redet er haushaltstechnisch. Das ist seine Logik.“ Bremen argumentiert mit der Stärkung der Wirtschaftskraft – die Frage ist, wie das Verfassungsgericht die Sache sehen würde. Wenn das Gericht auch rein fiskalisch argumentiert, „haben wir keine Chance“, sagt Nußbaum.

Wenn es in den nächsten Monaten doch zu einer mündlichen Verhandlung über die Berliner Klage kommt, sagt Nußbaum, dann werden die Bremer Experten ihre Ohren spitzen – und gegebenenfalls die eigene Klagebegründung noch einmal umschreiben.

So ist schon die Frage des Zeitpunkts, zu dem die Karten auf den Tisch gelegt werden, ein Element des Pokerspiels. Weder das Saarland noch Bremen lassen sich da festlegen – aus Unsicherheit. Denn bei der Verlängerung der Sanierungshilfen 1999 haben sich beide Länder auf die Formel eingelassen, dass es sich um „abschließende“ Finanzhilfen handeln soll. In Bremen wurde das Gelingen der Sanierung für 2005 in einem „Sanierungssicherstellungsgesetz“ mit Rechtskraft beschlossen – das Gesetz hat heute noch Rechtskraft.

In der finanzwissenschaftlichen Diskussion wird als weiteres Problem für den Bremer Anspruch genannt: Viele andere Bundesländer bewegen sich am Rande einer Haushaltsnotlage – wie im Übrigen auch der Bund. Die „Geberländer“ im Länderfinanzausgleich haben keineswegs volle Taschen – der Hilfeanspruch, das hatte das Gericht auch 1992 festgestellt, darf die Helfenden nicht überfordern.

So ist es weitgehend Konsens, dass es als „Eigenbeitrag“ eines notleidenden Landes keineswegs ausreicht, die Ausgaben auf das durchschnittliche Niveau der anderen Länder zu senken. Vor diesem Hintergrund sieht der Bremer Finanzsenator mit Sorgen dem zweiten Nachtragshaushalt für 2005 entgegen, dessen Umrisse erst nach der Bundestagswahl beziffert werden sollen. Zahlen will er noch nicht nennen – man darf getrost davon ausgehen, dass die Summe über der 100 Millionen-Grenze liegen wir. Nicht gerechnet die 250 Millionen Euro für den Neubau der Kaiserschleuse in Bremerhaven, die außerhalb des Haushaltes verbucht wird.

Wenn aber die Sparziele des Haushaltes 2005 nicht eingehalten werden können, dann überträgt sich das mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Fortschreibung des Haushaltes für 2006 und 2007. „Vielleicht müsste ich mir heute weniger kritische Fragen von Ihnen stellen lassen, wenn die bremische Strategie eine andere gewesen wäre“, hat Nußbaum vor dem Finanzplanungsrat in Berlin im Juni eingeräumt. kawe