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Verbotene Stadt

Zum Auftakt der Europa League dürfen die euphorischen Frankfurter Fans ohnehin nicht ins Stadion. Nun kommt ein Aufenthaltsverbot in Marseille dazu

Von Frank Hellmann

Schon im Stadionlied von Eintracht Frankfurt klingt die internationale Sehnsucht durch: „Im Herzen von Europa.“ So geht der Refrain bei einem Songtext, den mal der Polizeichor Frankfurt geschmettert hat und der in etwas blecherner Ausführung zu jedem Heimspiel über die Lautsprecher ertönt. Die meisten Anhänger singen voller Inbrunst mit. Axel Hellmann, der früher mal die Fan- und Förderabteilung mit aufgebaut hat und heute unter anderem das für Kommunikation, Zuschauerservice und Fanangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied gibt, kann gut erklären, warum Europapokalspiele hier wichtiger als anderswo sind: „Das ist magnetisch, weil diese Stadt, die Region international sind. Man sieht sich hier gerne auf Augenhöhe mit Paris oder London.“ Da sei natürlich viel Traum und Wunschvorstellung dahinter, aber: „Wenn wir international spielen, muss nur das Licht angehen und die Zuschauer kommen.“

Der Pokalsieg gegen den FC Bayern löste bei den Hessen auch deshalb einen fast infernalischen Jubelsturm aus, weil damit die direkte Zutrittsberechtigung für die Europa League verbunden war. Und die Termine und die Gegner für die Gruppenphase standen noch gar nicht fest, da waren in der Mainmetropole die Karten für die drei Heimspiele verkauft. Als Blind-Date-Tickets. „Das hat es in der Geschichte der Uefa noch nie gegeben“, erzählte Hellmann kürzlich noch voller Stolz. Inzwischen ist beim 47-Jährigen die Stimmungslage umgeschlagen. „Ich fühle große Enttäuschung und Bitternis.“

Dass ausgerechnet die Eintracht zum Auftakt bei Olympique Marseille (Donnerstag 18.55 Uhr) antreten musste, wo doch der Europa-League-Finalist wegen der Ausschreitungen beim Finale in Lyon zu mindestens einem Geisterspiel verdonnert wurde, mutete bereits wie ein Treppenwitz an. Zutritt ins 67.394 Zuschauer fassende Stade Vélodrome haben nur Offizielle, Medienvertreter und die beiden Delegationen. Da hat die Uefa endlich einen Klub, dessen Anhängerschaft diesen Wettbewerb voller Euphorie angeht, da bleiben aus Frankfurter Sicht unverschuldet die Tore geschlossen. „Das ist grotesk, das ist ja Ironie“, findet Hellmann.

Doch damit nicht genug: Am Dienstag verfügte die in Marseille zuständige Präfektur ein Aufenthaltsverbot für Eintracht-Anhänger – und verordnete damit den finalen Stimmungs­killer. Gültig heute von acht bis 24 Uhr für das gesamte Stadtgebiet. Und betrifft jeden, „der sich darauf beruft, Fan von Eintracht Frankfurt zu sein bzw. sich als solcher durch sein Verhalten erkennen gibt“. Die Leitstelle des Polizeipräsidiums des Département Bouches-du-Rhône kündigte bei Nichtbeachten sogar Haftstrafen an. Vielen im Klub kommt es vor, als laufe ein falscher Film ab – und sie sind unfreiwillige Darsteller eines Horrorstreifens. Titel: Das zerstörte Europapokalerlebnis.

„Das ist grotesk, das ist ja Ironie“

Eintracht-Vorstandsmitglied Hellmann

Der Jurist Hellmann kritisierte „einen völlig unangemessenen und rechtsstaatlich hochgradig bedenklichen, wenn nicht unzulässigen Eingriff in die Rechte eines jeden einzelnen“. 1.000 Frankfurter wollten in der südfranzösischen Hafenstadt nämlich trotzdem noch die Partie vor Ort in Kneipen oder Restaurants verfolgen. Nun ist auch diese Anteilnahme erstickt. Oder wie der Vereinsvertreter bemängelt: „Wir fühlen uns um einen großen europäischen Auftritt betrogen. Im Ergebnis sperrt man uns als völlig unbeteiligte Dritte nicht nur von einem Spiel, sondern aus einer ganzen Stadt aus. So kann das nicht weitergehen.“

Notgedrungen muss sich aus Eintracht-Sicht alles auf die Auswärtsspiele bei Apollon Limassol (8. November) und Lazio Rom (13. Dezember) kaprizieren. Allein nach Zypern sind bereits 25 Maschinen gechartert, den richtigen großen Auftritt der Entourage der Adlerträger soll es dann in der Ewigen Stadt geben. Hellmann spricht von „unserer Völkerwanderung nach Rom. Die Verhandlungen mit der Lazio-Führung laufen, dass es als Gästekontingent statt 7.000 eher 15.000 Karten gibt.

Im Olympiastadion der italienischen Hauptstadt sollen dann endlich die Bilder entstehen, die der Bundesligist bereits bei seiner letzten Europapokalteilnahme vor fünf Jahren geboten hatte. Im Herbst 2013 pilgerten 12.000 Frankfurter zum Europa-League-Gruppenspiel bei Girondins Bordeaux in die Stadt am Ufer der Garonne. Der damalige Trainer, Armin Veh, schwenkte nach Spielschluss vor den komplett in Orange gewandten SGE-Anhängern eine riesige Fahne. In Marseille kommt erst einmal das Kontrastprogramm der Tristesse zur Aufführung. „So ein Geisterspiel ist grausam“, sagt Sportvorstand Fredi Bobic, „selbst beim Zugucken im Fernsehen bekommst du Bauchschmerzen.“ Für einen Klub, der sich im Herzen von Europa wähnt, kommt es fast einem Dolchstoß gleich.

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