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Wir nehmen das in Angriff

Alle lieben ihre Print-taz, aber das Vertrauen in die Kraft zur Innovation ist groß

Von Ulrich Gutmair

In den vergangenen Wochen hatte man es als taz-Redakteurin, als Genosse und Abonnentin nicht leicht. Freunde wie Fremde schauten einen mit traurigen Augen an und drückten ihr Beileid aus. Die taz wird nicht mehr gedruckt? Andere Medien hatten aufgegriffen, was Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch im Mitgliederinfo der taz-Genossenschaft als „Szenario 2022“ beschrieben hatte: „Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter. Wir sind sicher, dass wir die Existenz der taz sichern, wenn wir uns bereits jetzt gut darauf vorbereiten, dass der tägliche Druck und Vertrieb der Papier-taz bald nicht mehr möglich sein könnten.“

So war zu erwarten, dass der Tagesordnungspunkt „Vorstellung Szenario 2022 ­– 20 20 20“, am Samstagnachmittag der kontroverse Höhepunkt der diesjährigen Genossenschaftsversammlung werden würde. So war’s auch.

Die Redakteure Bert Schulz und Sebastian Erb stellten den von einer Gruppe aus RedakteurInnen und VerlagskollegInnen erarbeiteten Innovationsreport vor, der zu dem Schluss kommt: „Wir brauchen Investitionen für die digitale Transformation der taz und bessere Strukturen für guten, aufklärerischen, linken Journalismus.“

Dass der Transformationsprozess längst im Gange ist, machten die stellvertretenden Chefredakteurinnen Barbara Junge und Katrin Gottschalk deutlich. „Wir sind längst auf dem Weg, die taz zu verändern“, sagte Junge. Am Ende des Prozesses werde die taz multikanalfreudig, mobil und Community-zentriert sein.

Ebendas hatten im vorausgegangenen Diskussionsblock drei JournalistInnen aus den USA, Frankreich und der Schweiz, Monika Bäuerlein (Mother Jones), Donatien Huet (Mediapart) und Miriam Walther Kohn (Die Republik), die mit Schwerpunkt oder ausschließlich online publizieren, als zukunftsweisende Eigenschaft der taz festgehalten: ihre sich unter anderem in der Genossenschaft manifestierende Community.

„Ich möchte ausdrücklich Danke sagen dafür, dass es die taz gazete gibt“

Cem Özdemir, Grünen-Politiker

Katrin Gottschalk erklärte, wie die Reichweite der Mobilversion der taz, die es seit einem Jahr gibt, wächst. Sie zeigte, wie Titelseite und Struktur der taz.app demnächst aussehen könnten.

Es folgte Kalle Ruch, der aufzeigte, wie die Abokurve der werktäglich gedruckten Zeitung zwischen 2009 und 2018 sank. Was die Verluste der Print-Abos angeht, steht die taz noch gut da, nämlich hinter der Süddeutschen Zeitung und vor allen anderen Konkurrenten.

Für weitaus problematischer hält Ruch die Kostensteigerungen bei den Zustelldiensten, die in nicht ferner Zukunft die direkte Zustellung abseits der Post unmöglich machen werden: „Ein System geht unter, von dem wir abhängig sind, aber nicht abhängig sein wollen.“ In seinem Szenario wird die taz unter der Woche ab 2022 nicht mehr im Print, sondern als E-Paper erscheinen. Das spart Druck- und Vertriebskosten. Der Erlös im Jahr 2022 würde sogar steigen, wenn 20.000 Wochenend-Print-Abos, 20.000 kombinierte Wochenend-E-Paper-Abos und 20.000 Werktags-E-Paper-Abos verkauft würden und sich die Einkünfte durch „taz zahl ich“ weiter gut entwickelten.

Die GenossInnen bedachten Ruchs Vortrag mit Applaus. Dann stellten sich zwei Dutzend GenossInnen vor den Saalmikros an, wobei Frauen, wie bemängelt wurde, deutlich in der Minderzahl waren. Die meisten folgten Ruchs Einschätzung, dass der bevorstehende Kollaps der Zustelldienste ein sehr großes Problem darstellt, einige hielten den Vertrieb per Post für ausreichend: „Lieber spät als gar keine gedruckte taz!“, forderte einer. Ein Genosse aus Friesland verwies auf die Renaissance der Schallplatte und den Trend zum Slow Food: Die Papierzeitung könne sich auch zu einem wertvollen Produkt entwickeln. Später fiel das Wort „Prämienprodukt“.

„Es gibt bald nur noch leserfinanzierten Journalismus. Die große Frage ist: Für wie viel Journalismus wird die Öffentlichkeit zahlen?“

Monika Bäuerlein, Magazin Mother Jones

Aus vielen Beiträgen wurde deutlich, wie groß das Vertrauen der GenossInnen in die Innovationskraft der taz ist. Ein Berliner Genosse sprach selbstironisch von der „Generation Voltaren“, tat seine Liebe zur gedruckten taz kund, war aber überzeugt: „Die taz wird im Internet sein, oder sie wird nicht sein!“

„Toll, dass wir das in Angriff nehmen wollen! Ich bin nicht pessimistisch“, sagte ein anderer Genosse. Ein weiterer: „Diesen Schritt zu gehen finde ich gut!“ Klar wurde, was sich wohl die meisten wünschen: „So lange drucken, wie es geht!“ Um die Print-Leser ans neue Format zu gewöhnen, schlug ein Genosse vor, Print-Abonnenten das E-Paper zu schenken, was Kalle Ruch positiv aufnahm.

Einen ganz anderen Aspekt beschwor ein Genosse, der von einem Segen für den häuslichen Frieden sprach: Über die Stapel von tazzen, von denen er sich nicht trennen könne, müsse er dann nicht mehr streiten.

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