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Aus den Bergen zum Gipfel

Novak Djokovic gewinnt zum dritten Mal die US Open. Es ist sein 14. Grand-Slam-Titel. Die Rückkehr des lange Verletzten an die Spitze des Welttennis steht kurz vor der Vollendung

Aus New York Doris Henkel

Novak Djokovic kann sich noch gut erinnern, wie er als Junge dachte, irgendwann wolle er auch so gut und erfolgreich sein wie der große Pete Sampras. 14 Grand-Slam-Titel gewann der Amerikaner im Laufe seiner Karriere, jetzt ist auch der Junge von einst bei 14 angekommen. Kaum einer hätte damit vor acht Monaten gerechnet, als er sich am rechten Ellbogen operieren ließ, aber wenn es eine Lektion gibt, die mit dieser Rückkehr verbunden ist, dann ist es die, bei den Großen dieses Sports jederzeit alles für möglich zu halten.

Mit seinem überzeugenden Sieg am Sonntag in New York gegen Juan Martin del Potro (6:3, 7:6, 6:3) rückt Djokovic auf Platz drei der Weltrangliste vor, und es ist gut möglich, dass in diesem Jahr noch mehr daraus wird. Wie die nächsten Wochen bei Nadal aussehen werden, weiß keiner. Nach der Aufgabe im Halbfinale gegen del Potro hatte er gesagt, das Problem mit der entzündeten Sehne im rechten Knie könne in einer Woche erledigt sein oder erst in sechs Monaten, wobei er gleich nachschob, sechs Monate seien nur ein Beispiel und damit rechne er eher nicht. Der Spanier hat im Herbst wie der Kollege Federer nicht wenige Punkte zu verteidigen, Djokovic dagegen keine, weil er ja in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres nicht mehr gespielt hatte. Die Überraschung müsste sich also in Grenzen halten, sollte Novak Djokovic nach dem ATP-Finale im November wieder ganz oben stehen, zwei Jahre und einen Monat nach dem letzten Mal.

Aber er gibt zu, mit all dem habe er selbst nicht gerechnet. „Wenn Sie mir dieses Jahr im Februar nach meiner Operation gesagt hätten, ich würde Wimbledon, die US Open und Cincinnati gewinnen, dann wäre es mir schwergefallen, das zu glauben.“

Aber das Leben habe ihm gezeigt, dass es für manche Dinge ein wenig länger brauche, aber man könne die Zeit nutzen, um eine neue Balance zu finden und alles wachsen und gedeihen zu lassen. Wie im Spiel gegen del Potro und wie auch schon beim Sieg in Wimbledon zu sehen war, spielt Djokovic in der zweiten Hälfte anno 18 auf dem gleichen Niveau wie zur großen Zeit 15/16 und 2011. Zum dritten Mal gewann er in Wimbledon und zwei Monate später auch in New York, und dieser Sieg war nur im zweiten Satz in Gefahr. Der dauerte eine Stunde und 35 Minuten und war damit nur fünf Minuten kürzer als das komplette Finale des Jahres 84 zwischen John McEnroe und Ivan Lendl.

Herzstück darin war das achte Spiel mit mehr als 20 Minuten Dauer und drei Breakbällen für del Potro, doch der scheiterte immer wieder an Djokovics unglaublicher Verteidigung. Der Argentinier sagte hinterher, er habe die ganze Zeit am Limit gespielt, um überhaupt eine Chance zu haben und seine mächtige Vorhand einzusetzen, aber er sei einfach nicht am Gegner vorbeigekommen.

Für del Potro war dieses Finale ein von großen Gefühlen begleitetes Treffen mit der Vergangenheit und mit seinem Titelgewinn von 2009. Einerseits war er glücklich, nach der ganzen Misere seiner Handgelenksverletzungen überhaupt wieder im Finale seines Lieblingsturniers gelandet zu sein, andererseits setzte ihm die Niederlage so sehr zu, dass er danach eine ganze Weile weinen musste. Djokovic tröstete, del Potro fing sich wieder und hatte später eine klare Antwort auf die Frage, ob der Freund und Konkurrent in der Lage sei, Federer (20) und Nadal (17) in der Liste der Titel bei Grand-Slam-Turnieren zu überholen. „Natürlich kann er das. Er hat ja jetzt schon 14, zwei davon in diesem Jahr, er ist gesund, und er hat ein tolles Team, ich hoffe, dass er, Roger und Rafa weiter um die großen Titel kämpfen. Es ist einfach schön, sie dabei zu beobachten, wie sie Geschichte schrei­ben.“

Oft sind es die kleinen Rückschläge, die zu neuer Orientierung führen

Es ist interessant, wie anders Djokovic den Konkurrenzkampf im Laufe der Jahre inzwischen wahrnimmt. Der sagt, früher sei er nicht arg glücklich gewesen, in einer Ära mit überragenden Spielern wie Nadal und Federer gelandet zu sein, inzwischen wisse er zu schätzen, dass er im Konkurrenzkampf mit den beiden Konturen gewonnen habe und der Spieler geworden sei, der er heute ist. Und doch sind es oft auch die kleinen Rückschläge, die zu neuer Orientierung führen.

Zu Beginn des Sommers hatte Djokovic das Gefühl, alles laufe bestens und er werde bald wieder auf dem gewünschten Niveau sein, doch dann verlor er bei den French Open im Viertelfinale gegen einen Italiener namens Marco Cecchinato in einer Form, die er sich selbst nicht erklären konnte.

Danach beschloss er, er brauche erst einmal Abstand. Mit seiner Frau Jelena wanderte er dann fünf Tage in Südfrankreich in der Gegend um den Mont Victoire, und wenn nicht alles täuscht, dann muss in diesen Bergen irgendwas Spezielles in der Luft gewesen sein. In den drei Monaten seither verlor er genau noch zwei Spiele und gewann drei Titel. Was so eine Wanderung mit der Gattin alles bewirken kann.

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