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Archiv-Artikel

Was tun für den Menschen

AUSTAUSCH Der Freiwilligendienst bietet Jugendlichen wie Erwachsenen die Chance, Neues zu entdecken. Zu den Einsatzorten gehören auch anthroposophische Einrichtungen

Die Motivation mitbringen, sich auf etwas völlig Neues einzulassen

VON CHRISTOPH RASCH

Claudio Jax erinnert sich noch gut an sein erstes Auslandsengagement: Als junger Freiwilliger kommt er 1999 in die internationale Jugendbegegnungsstätte im polnischen Kreisau – und ist sofort begeistert: „Das interkulturelle Thema, der Dialog und Austausch haben mich damals total fasziniert“, sagt Jax, „und diese Erfahrung will ich seitdem auch anderen jungen Menschen ermöglichen.“

Eine Berufung, die Jax zum Beruf gemacht hat: Der heute 33-Jährige arbeitet bei den „Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners e. V.“ in Karlsruhe – und ist dort verantwortlich für die Entsendeprogramme von Freiwilligen in alle Welt. Seit knapp 20 Jahren schickt der Verein junge Menschen in Waldorfschulen, -kindergärten, heilpädagogische Einrichtungen und soziale Projekte im Ausland: von Australien bis Argentinien, von der Ukraine bis in die USA.

„Die dortigen Einrichtungen haben einen anthroposophischen Hintergrund, die meisten unserer jungen Freiwilligen aber nicht“, erklärt Jax. Rund 3.000 Bewerber melden sich pro Jahr für die angebotenen Programme – nur etwa ein Drittel der Leute hat zuvor Waldorferfahrungen gesammelt. „Genau das aber wollen wir den Teilnehmern bieten“, sagt Claudio Jax, „am Einsatzort eine anthroposophische Einrichtung kennenzulernen und deren Konzept für den eigenen beruflichen Werdegang – als Pädagoge oder Sozialarbeiter etwa – genau zu studieren.“

Zwei Bedingungen sollten Interessierte deshalb erfüllen: mindestens 18 Jahre alt sein. Und, so Jax, „die Motivation mitbringen, sich auf etwas völlig Neues einzulassen.“ Jeweils ein Jahr bleiben die Freiwilligen im Ausland, so dicht wie möglich am „Lebensrhythmus der Menschen vor Ort“. Dabei sollen sie auch praktisch-handwerkliche Erfahrungen sammeln – sei es beim Gartenbauprojekt in der afrikanischen Waldorfschule, in der Bastelwerkstatt einer Behindertengemeinschaft – oder in bio-dynamischen Landwirtschaftsworkshops.

Das Prinzip funktioniert übrigens auch in der entgegengesetzten Richtung. Claudio Jax und seine Kollegen holen jedes Jahr auch Freiwillige aus rund 20 Ländern nach Deutschland – zum Beispiel aus Brasilien –, die hierzulande in pädagogischen und sozialen Projekten arbeiten. Ein paar hundert junge Menschen hat der Verein mit seinem „Incoming“ genannten Programm bereits vermittelt.

Umgekehrt sind allerdings schon mehr als 7.000 junge Deutsche über den Verein ins Ausland gegangen. Für beide Projekte gilt: Auch die Einrichtungen profitieren von dem Austausch. Die Freiwilligen bringen frischen Wind in die pädagogische Arbeit, „und für die Betroffenen, etwa in Pflegeeinrichtungen, sind die Internationalen eine Bereicherung, ein gelebter Austausch mit der weiten Welt“, so Jax.

Doch auch die Einsätze der jungen Freiwilligen stoßen an ihre Grenzen: „Als im vergangenen Jahr die Aufstände in Ägypten ausbrachen, mussten wir unsere Leute von dort abziehen“, erinnert sich Jax, der auch in instabile Staaten wie die Elfenbeinküste derzeit keine jungen Freiwilligen schickt. Doch Krisenländer und -regionen sind bei den „Freunden der Erziehungskunst“ keineswegs weiße Flecken auf der Landkarte – im Gegenteil.

Erdbebenkatastrophen wie 2010 in Haiti oder im vergangenen Jahr in Japan; kriegerische Auseinandersetzungen wie im Libanon oder im Gazastreifen – dies sind seit 2006 die Einsatzfelder der „Notfall-Pädagogen“, die ebenfalls vom Karlsruher Verein entsandt werden. Das Projekt ist abgekoppelt von den anderen dort angebotenen Freiwilligen-Programmen. Und dennoch sind es auch hier ehrenamtliche Helfer, die mit Traumatisierten in Krisengebieten arbeiten – und ihnen den Weg zurück in die Normalität ebnen helfen. Eine schwierige Aufgabe, für die ausgebildete Vollprofis nötig sind – und auch immer wieder gesucht werden. Die Notfall-Freiwilligen rekrutieren sich dabei aus erfahrenen Ärzten und Psychologen, Therapeuten, Erziehern und Lehrern. Die meisten der erwachsenen Helfer haben einen anthroposophischem Hintergrund und setzen diesen auch vor Ort ein.