berlinmusik: Minimal weird
So ist das also im Jahr 2018: Man feiert wieder Kassetten-Releasepartys. Wo einige wohl kaum noch wissen, was mit „C-60“ gemeint sein könnte, da veröffentlicht der empfehlenswerte Berliner Künstler mit dem einprägsamen Namen Johannes Bügeleisen sein neues Album „Sunscreen“ (auch) als C-60-Tape. Dieser verweist in seinem Look – man kann das in seinen Videoclips sehen – zunächst schnurstracks auf die 80er: offenes, weißes Hemd, Cocktails, Radlerhose, Sonnenbrille, Tennissocken. Auch musikalisch finden sich 80ies-Pop-Anteile, aber zum Glück nicht nur: Da klingt Goth durch, da klingt minimalistische Weirdo-Synthie-Musik durch, da klingt aber auch ein gut gelaunter elektronischer Sound an, wie man ihn in den Nullerjahren von Bands wie Simian zu hören bekam. Der Gesang kommt, mit etwas Hall versehen, meist getragen und pseudopathetisch, tief und flüsternd daher; Herr Bügeleisen singt mit oft angenehm ironischem Unterton von Beziehungen („This Funny Feeling“), Zumutungen des Lebens wie zum Beispiel der Arbeit („Afterhours“) oder er verweist auf Satanisches („666“). Äußerst passend, dass bei Bügeleisens Releaseparty in Neukölln Molly Nilsson auflegen wird, denn die Dark-Synth-Lady würde – wie auch John Maus – durchaus als musikalische Seelenverwandte durchgehen.
Weitaus unspektakulärer kommt auf den ersten Blick die Debüt-EP der jungen Band Praery daher. Irgendwo zwischen melodischem Punk, Songwriter und Rock ist die Musik des Quartetts angesiedelt, das dem Dunstkreis der Indieband Findus entspringt. Die vier Songs sind konventionell, basieren auf gängigen Rockakkorden, im mittleren bis flotten Tempo gespielt. Auch die Instrumentierung ist rocktypisch: ein bisschen Akustik-Gitarre, ein bisschen Solo- und Slide-Guitar. Aber irgendwas hat das; vielleicht ist es der raue, kehlige Gesang, vielleicht der vom amerikanischen Poppunk (Lookout! und Co.) inspirierte Stil, überhaupt der amerikanische Einfluss. Und vielleicht auch die angenehme Einfach-mal-machen-Attitüde – die EP ist direkt nach Bandgründung entstanden. Luft nach oben ist da auf jeden Fall noch, einige Akkordfolgen hat man schon zu oft gehört, und dennoch: passables Debüt. Jens Uthoff
Johannes Bügeleisen – Sunscreen (Baby Satan Records), Releaseparty: heute, 21 Uhr, Sameheads, Richardstr. 10
Praery: s/t EP (Eigenverlag/Praery Records)
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