: Dehnt sich und streckt sich
Beim neuen Album von Thomas Fehlmann, „Los Lagos“, bekommt man den Eindruck, dass er als Elektronikproduzent seine Bestimmung gefunden hat
Von Andreas Hartmann
Seit einer Weile pendelt der Elektronikproduzent Thomas Fehlmann zwischen Stadt und Land. Zwischen Berlin und seiner neuen Heimat, einem Gutshof mitten in der Pampa der Nordwestuckermark. Diese neue Nähe zur Natur prägt den Mann ganz offensichtlich. Sein letztes Album hatte den Titel „Gute Luft“, der wohl kaum auf die Atmosphäre in der stinkenden Stadt bezogen sein dürfte. Und auch auf seinem neuen Soloalbum, seinem inzwischen siebten, wird das Leben draußen im Grünen, zwischen Äckern und Feldern, thematisch verhandelt. „Freiluft“ heißt dieses Mal einer der Tracks, und gleich die erste Nummer trägt den hübschen Namen „Löwenzahnzimmer“.
Vielleicht hätte man nun erwarten können, dass Fehlmann, der immerhin lange Zeit auch Teil des englischen Ambientprojekts The Orb von Alex Paterson war, nun auch solo dank der berauschenden Natur um ihn herum in gefälligere oder ambientösere Klangwelten abdriftet. In Richtung Techno mit Vogelgezwitscher und Froschquaken etwa.
Doch davon ist auf dem Album mit dem Titel „Los Lagos“ nichts zu vernehmen. Fehlmann, der bereits in den Neunzigern mit stilprägenden Technoproduzenten aus Detroit wie Blake Baxter und Juan Atkins gemeinsam produzierte, hat vielmehr immer noch einen Hang zu detroitigen Klängen.
Das Landei hat sein Gefühl für den Sound der Großstadt also nicht verloren. Freilich klingt seine Version von Clubmusik vergleichsweise zart und weich, besonders wenn man sie mit dem aktuellen Trend in Berlin vergleicht, seinen Techno möglichst hart zu servieren. Wenn man so will, ist das bei Fehlmann am Ende eine Form von Techno, zu der sich am besten barfuß auf der Wiese tanzen lässt.
Thomas Fehlmann ist inzwischen über 60 Jahre alt. Er war Mitglied in der sagenumwobenen Hamburger Postpunk-Band Palais Schaumburg, trieb die späten achtziger Jahre etwas orientierungslos vor sich hin, um dann vom Techno gerettet zu werden. Zwar gab es eine kurzlebige Reunion von Palais Schaumburg, aber wenn man hört, wie organisch und ausgefeilt Fehlmanns eleganter Techno nun auch wieder auf „Los Lagos“ klingt, bekommt man doch den Eindruck, dass er erst als Elektronikproduzent seine wahre Bestimmung gefunden hat.
Acht Stücke sind auf dem Album zu hören, das mit einer formschönen Schwarz-Weiß-Zeichnung von Albert Oehlen auf dem Cover versehen wurde. Jeder der Tracks pumpt langsam und erhaben vor sich hin, dehnt sich und streckt sich und vermittelt dem Hörer das Gefühl von Weite und Unendlichkeit, das man ansonsten wohl nur bekommen würde, wenn man selbst raus auf das Land ziehen würde.
Thomas Fehlmann: „Los Lagos“ (Kompakt)
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