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Archiv-Artikel

berliner szenen Öffentliche Verehrung

Habibi

„Habibi“, ruft er und hält mich am Arm fest. „Habibi“, und dann vollführt er mitten auf der Gleimstraße vor seinem Antikmöbelladen ein kleines Tänzchen und singt dazu in einer mir fremden Sprache. Seine Augen leuchten und ein paar Passanten drehen sich um. Ich erröte.

Anfangs gab es nur einen festen Händedruck und ein gehauchtes „Habibi“, wann immer ich an seinem Geschäft vorbeikam. Und das war oft. Ich wohne gleich um die Ecke. Auf dem Bürgersteig vor seinem Geschäft stehen Sofas, Stühle,Tische, ab und zu ein Fahrrad und er. Der Laden scheint gut zu laufen.

Eines Morgens war ich ausnahmsweise sehr früh unterwegs. Er war dabei, den Laden zu öffnen. Ich hatte es eilig und wollte gerade ungesehen an ihm vorbeihuschen, da drückte er mir schon die Hand. „Kannst du mir helfen?“, fragte er. „Es ist noch niemand da und ich muss ein paar Tische rausstellen.“ Ich bin eine gute Nachbarin und willigte ein. Für eine Viertelstunde waren wir gemeinsam damit beschäftigt, acht schwere Eichentische, immer zwei auf einmal, aus dem Laden auf den Bürgersteig zu schleppen. Ich war völlig durchgeschwitzt und spät dran. Er bedankte sich, und ich versuchte zur U-Bahn zu rennen. Das ging aber nicht. Ich hatte mir den Rücken verrenkt.

Abends humpelte ich an seinem Laden vorbei nach Hause. Er schaute mich fragend an. „Habibi?“ „Die schweren Tische“, sagte ich und stöhnte vor Schmerz. Seitdem tanzt er für mich und singt, wann immer ich vorbeikomme. Manchmal wechsle ich schon die Straßenseite. Wie heute. Ich blicke rüber zu seinem Geschäft. Er singt und tanzt und ruft „Habibi“, aber für eine andere Frau. Ob die ihm gestern beim Tischeschleppen geholfen hat?

MAREIKE BARMEYER