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Drochtersen kämpft

Der niedersächsische Regionalligist SV Drochtersen/Assel empfängt Bayern München zum Pokalspiel. Und wäre nicht Neuers Fuß im Weg gewesen, hätte Großes geschehen können

Nicht immer bleiben beide Räder am Boden: Marokkos bester Werfer gegen Deutschland ist Zouhair Challat Foto: Uli Gasper

Von Martin Sonnleitner

Das Fest war bereitet, ein Dorf stand Kopf. Der niedersächsische Regionalligist SV Drochtersen/Assel, Landkreis Stade, empfing den deutschen Rekordmeister Bayern München in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals und muss sich nur knapp mit 0:1 geschlagen geben. Robert Lewandowski traf erst in der 81. Minute für die Münchner, die in Bestbesetzung im Kehdinger Stadion aufliefen.

Zuvor war wochenlang Ausnahmezustand in der 11.500-Seelen-Gemeinde gewesen. Alles steuerte auf diesen Samstagnachmittag zu, von einem „Jahrhundertspiel“ war im Vorfeld berichtet worden. Die Straßen in Drochtersen waren mit Fahnen beider Klubs beflaggt, schließlich hat der FCB auch überregional eine große Fangemeinde.

Kevin freut sich zwei Stunden vor dem Anpfiff auf das Spiel. Der Siebenjährige trägt ein Manuel-Neuer-Trikot, ein „24:0 für Bayern“ habe er morgens nachgestellt. „Fußball-Großstadt“ wurde mit Edding auf das Ortsschild geschrieben. So einfach wollten sich die Underdogs aus Liga vier ihrem Schicksal nicht fügen.

Es füllt sich langsam bei herrlichem Sonnenschein, hat eher etwas von einem größeren Schützenfest, als dass das Dorf mit seiner Kirche, Apotheken, Schuhladen und Dorfkrug vor lauter Ansturm auseinanderbräche. Der neunjährige Pit ist mit Vater und Opa gekommen. Drei Generationen D/A-Fans. „4:1 für Bayern“, tippt er, Opa Hans-Heinrich frotzelt: „Die hauen wir weg.“ Pit berichtet stolz, dass er als Drochtersen-Fan in einem TV-Spot durchs Vereinsheim wirbelt

Vor dem Bekleidungsladen No 10 von Klaus Wilhelm wird eine Knolle Bier für zwei Euro verkauft. Vor dem Stadion, dessen Kapazität durch mobile Tribünen von 2.500 auf 7.800 vergrößert wurde, bilden sich nun lange Schlangen. Drinnen heizt eine Blaskapelle ein. Auch ein Gerüst fürs Fernsehen wurde aufgebaut. 200 Meter vom Stadion entfernt trinken zwei Damen im Vorgarten Kaffee. Ein Verkehrschaos bleibt aus. Es gibt Shuttle-Busse und auch im Ort genügend Parkplätze. Nur der Elbwind pfeift ein wenig garstig, als wollte er die Bayern warnen.

„Ich muss Drochtersen zu einem tollen Pokalfight gratulieren“

Bayern-Coach Niko Kovac

Um 14.06 Uhr kommt endlich der Bayern-Bus um die Ecke zum Stadion gebogen, der 50 Leute große Tross hatte im Stader Parkhotel genächtigt. Buhrufe und Jubel wechseln sich ab. Zwischenzeitlich waren die Nerven von D/A-Präsident Rigo Gooßen ein wenig angespannt. 100 Kilo Eis wurden von den Münchnern angefordert. Statt eines Bades wurde schnell ein Fass besorgt. Neuer kommt als Erstes ins Stadion gelaufen, danach Müller, Thiago, Hummels. Sie kreuzen mit No-Names wie Mau, Zopfgen oder Behrmann ihre Wege.

D/A-Coach Lars Uder hat sein Team top eingestellt. Mit einem Fünfer-Riegel hat man 2016 im Pokal schon Borussia Mönchengladbach geärgert. 0:1 lautete das knappe Ergebnis. Auch jetzt kämpfen die Hausherren um jeden Meter. Der Bayern-Tanker läuft schleppend. Bei jeder halbwegs gelungenen Aktion der Hausherren bebt das kleine Stadion. Vor allem die Weltstars Robben und Ribéry rennen sich immer wieder in der dichtmaschigen D/A-Abwehr fest. In der 33. Minute kommt Drochtersens Mittelfeldrenner Florian Nagel nach eine Querablage aus sieben Metern frei zum Schuss, doch Neuer pariert per Fuß. Für einen Moment schien die Sensation möglich.

Auch wenn Bayern am Ende 84 Prozent Ballbesitz verbuchen kann, schlägt sich Drochtersen weiterhin wacker, bis Lewandowski das 1:0 gelingt. Er fälscht einen Schuss von Leon Goretzka ab. Wie schwer dieser Ritt hier gewesen ist, merkt man auch am erleichterten Jubel der Münchner. „Ich muss Drochtersen zu einem tollen Pokalfight gratulieren“, lobte Bayerns Coach Niko Kovac. „Es war ein unglaubliches Spiel. Dass wir es so lange offen halten können, hätte ich vorher nie geglaubt“, sagte Uder. D/A-Spieler Jasper Gooßen versprach: „Vor fünf Uhr morgens wird keiner aus dem Vereinsheim gehen.“

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