Die Ballade von Björk & Barney

Die Sängerin vertont „Drawing Restraint 9“, das neue Kunstwerk von Matthew Barney

Wo aber Qual ist, wächst der Genuss auch. So in etwa hat Theodor W. Adorno seine Beziehung zur Musik Richard Wagners hübsch dialektisch am Beispiel von „Tristan und Isolde“ zusammengefasst. Ganz ähnlich kann man sich mit dem inszenierten Liebestod von Björk und Matthew Barney herumquälen, der den Höhepunkt in dessen neuem Film bildet: „Drawing Restraint 9“ hat diese Woche beim Filmfestival in Venedig Premiere. Die Handlung ist abseitig und sehr ästhetisch, es geht um Walfang und Perlentaucherinnen, um alte Dieselkutter und um eine Skulptur aus flüssiger Vaseline. Vor allem aber geht es um die Ballade of Björk & Barney: Im Anschluss an ein japanisches Hochzeitszeremoniell schlitzen sich beide gegenseitig den Unterleib auf, bis ihnen Schwanzflossen wachsen und sie zu Walen mutieren. Der New Yorker Künstler Barney sieht den Akt als eine Transformation von Verweigerung in Kreativität; und Björk hat zu dieser Vision den Soundtrack „The Music from Drawing Restraint 9“ (Universal Music) geschrieben, der aus viel Geseufze, klirrenden Obertönen und lauter feinen Klopfhölzern besteht. Manchmal summt Björk eine Kindermelodie. Das ist oft süßlich wie schon das Vorgänger-Album „Medulla“ und gerne mit Freude am Kitsch aufgetragen, irgendwo zwischen Schostakowitsch, Górecki und den Residents. Bleibt die Frage, ob Björk/Barney mit ihrer Popverweigerung und dem gelebten Avantgardismus an ein anderes berühmtes Paar anknüpfen wollen – schließlich lief auch bei John Lennon nix mehr richtig mit den Beatles, nachdem er Yoko Ono kennen gelernt hatte. HARALD FRICKE