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Schlauberger-Hippies mit exzellenter Spielfreude: Das Kronos Quartet trat im Musikbunker Aachen auf und zelebrierte Hochkultur zum Mitmachen

Die Noten kann man herunterladen – „falls ihr sie mit euren Freunden spielen wollt“

Von Christian Werthschulte

Diskokugel passt immer. Das gilt auch für das Kronos Quartet. Normalerweise ist das Streichquartett von der amerikanischen Westküste in Konzertsälen mit minimalem Nachhall, den Bunkern der Hochkultur, zu Hause. Am Montag traten die vier Musiker aber in einem echten Bunker auf: dem Musikbunker in Aachen. Der ehemalige Luftschutzbunker ist eins der wenigen Überbleibsel der Alternativkultur im Frankenberger Viertel im südöstlichen Stadtzentrum.

Unter der Woche proben hier Rock- und Metalbands, auf der Bühne gibt es ein Programm zwischen Dub, Alternative Rock und finnischem Humppa, inklusive Diskokugel. Aber irgendwie passt diese Umgebung gut zum Kronos Quartet, dieser Institution der US-Postmoderne, bei der immer noch ein Rest Hippietum aus den Saiten ihrer Streichinstrumente hervorbricht. Seit fünf Jahren arbeiten sie an ihrem Projekt „Fifty for the future“. 50 befreundete Komponistinnen und Komponisten haben dafür Stücke für das Quartett aus San Francisco geschrieben. Die Noten kann man auf ihrer Homepage herunterladen – „falls ihr sie mit euren Freunden spielen wollt“, wie Violinist Dave Harrington beim Konzert erklärt – Hochkultur zum Mitmachen.

Am Montag spielt sich das Kronos Quartet aber selber durch den Katalog von „Fifty for the Future“. Dabei schrammen die vier auch schon mal haarscharf am Kitsch vorbei, etwa beim Minimal-Musik-Stück „Quartet Satz“ von Philip Glass. Aber immer wenn das Quartett die US-Nachkriegs­avantgarde hinter sich lässt, zeigt sich die Spielfreude der exzellenten Musiker. Die Harmonien des ägyptischen Electro-Chaabi-Produzenten Islam Chipsy bringen den Sound von ägyptischen Hochzeiten und Straßenpartys vor das Baby-Boomer-Publikum im Musikbunker. Und der russische Komponist Yevgeniy Sharlat zitiert die Fluxus-Experimente, sodass sich das Kronos Quartet mit Bleistiften anstelle von Streichbögen durch seine von russischen Folksongs inspirierte Komposition spielt.

Aber es gibt noch einen zweiten Teil des Abends, und in diesem mutieren die vier Schlauberger-Hippies zu ernsten Liberals. „Letztens habe ich gelernt, dass der Nachname von Nummer 45 in der britischen Umgangssprache ‚Furz‘ bedeutet“, erzählt Dave Harrington, und damit ist der Klamauk über Trump, den 45. Präsidenten der USA, auch vorbei. Das Kronos Quartett taucht stattdessen in die Geschichte des amerikanischen Song und fördert all die Schmerzen zutage, die nötig waren, um die USA zu dem zu machen, was sie geworden sind.

„Strange Fruit“, Billie Holidays Klagelied über Lynchmorde in den Südstaaten, wird zu einer Elegie auf Polizeitote, und John Coltranes „Alabama“, geschrieben anlässlich des Bombenanschlags auf eine Baptistengemeinde 1963 in Birmingham, türmt sich zu einer Wand aus Streichern auf. Das ist großes Pathos, das aber bescheiden vorgetragen wird.

Seinen Abschluss findet es in „Croung“, einem armenischen Volkslied, das die Sängerin Zabelle Pernosia 1916 nach ihrer Auswanderung in die USA aufgenommen hat. „Hast du Nachrichten aus der Heimat?“, singt Pernosia dort, und in der getragenen Version des Kronos Quartet hallt dies bis in die Gegenwart nach.

Es ist still im Bunker geworden, da setzen die vier Musiker zu ihrem letzten Stück an: „Orange Blossom Special“, die Hymne aller Fiedler. Ohne Pointe wollen sie dann doch nicht abgehen.

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