KARLSRUHE SICHERT OSTDEUTSCHE KRANKENKASSEN : Föderalismus zugunsten der Schwachen
Die kompliziertesten Urteile sind oft die wichtigsten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Risikostrukturausgleich in der Krankenversicherung abgesegnet und damit ein klares Bekenntnis zum Sozialstaat und zu gleichen Lebensverhältnissen in Deutschland abgelegt. Kurz vor dem Regierungswechsel ist die Bekanntgabe dieses Urteils ein deutlicher Wink an Schwarz-Gelb, die Stärkung der Starken nicht zu übertreiben.
Karlsruhe macht klar, dass ohne Umverteilung ein fairer Wettbewerb nicht möglich ist. Im Fall der Krankenkassen leuchtet das unmittelbar ein. Eine AOK, früher die Pflichtversicherung für Arbeiter und mit überdurchschnittlich vielen alten und kranken Mitgliedern, wird ohne Risiko-Ausgleich nie konkurrenzfähig sein. Sie könnte noch so effizient wirtschaften und hätte dennoch immer höhere Beiträge, weil ihre Mitglieder im Durchschnitt einfach weniger verdienen und mehr Ausgaben verursachen.
Sicher muss die Art der Umverteilung immer wieder neu auf den Prüfstand. Die Empfänger sollten am Ende nicht besser dastehen als die Geber. Missbrauchsmöglichkeiten und Fehlsteuerungen müssen verhindert werden. Das ist Aufgabe der Politik. Hier kann und wird vermutlich auch Schwarz-Gelb mit viel Getöse kleinere Akzente setzen. Die von Stoiber & Co. versuchte Abschaffung des Strukturausgleichs ist aber nicht mehr möglich, auch nicht bei der Einführung einer anderen Beitragsstruktur wie der Kopfpauschale – auch dann müssen die AOKs, insbesondere im Osten, vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.
Die Logik gilt aber auch für den Wettbewerb der Bundesländer untereinander. Auch hier hat der Finanzausgleich der Länderhaushalte den Sinn, überhaupt einen fairen Wettbewerb zum Beispiel um Investoren zu ermöglichen. Das gestrige Urteil ist daher auch eine Absage an einen Föderalismus, in dem sich automatisch die durchsetzen, die die besten Startbedingungen haben, während ansonsten nur noch das Elend verwaltet wird. Es passt dazu, dass Karlsruhe gestern nach langer Zeit auch mal wieder ein bundesfreundliches Urteil verkündet hat – weil nur der Bund die Umverteilung sinnvoll organisieren kann. CHRISTIAN RATH