: Teil- oder Vollzeit?
Parteien uneins, wie viele Abgeordnete Berlin haben soll
Im Berliner Parlament sitzen derzeit 160 Abgeordnete – könnten es bald weniger sein? Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) hat jüngst wieder eine Verkleinerung des Abgeordnetenhauses vorgeschlagen. Die Reaktionen darauf sind gemischt. Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel sieht die Idee kritisch. „Wir sind in einer Zeit, wo die Distanz von Politikern und Bürgern immer wieder ins Feld geführt wird“, sagte Gebel. Wenn es für 3,7 Millionen Einwohner ein Parlament gebe, das aus 160 Leuten besteht, sei das nicht viel. „Und dann sagt man, man braucht weniger Abgeordnete?“, so Gebel. „Ich wage zu bezweifeln, dass sich dadurch mehr Bürgernähe herstellt.“
Parlamentspräsident Wieland hatte ins Gespräch gebracht, dass es weniger Abgeordnete geben sollte, die dafür aber Vollzeit arbeiten. Denn bisher haben die Politiker zumindest auf dem Papier eine Teilzeitstelle. Sie bekommen auch entsprechend weniger Geld. Derzeit sind es 3.840 Euro im Monat, die versteuert werden müssen. Hinzu kommt Geld etwa für Mitarbeiter, Telefon und ein Wahlkreisbüro.
Wahlalter senken
„Die Abgeordneten der Grünen-Fraktion arbeiten bereits jetzt alle Vollzeit im Parlament“, sagte Gebel. Sie wolle ein bürgernahes Parlament, betonte sie. Eine Verkleinerung sei da nicht der richtige Weg. Das sei aber ihre persönliche Meinung. „Wir haben das in der Fraktion schon länger nicht mehr diskutiert.“
Die SPD-Fraktion hat sich nach Angaben eines Sprechers keine abschließende Meinung zu dem Thema gebildet. Die AfD befürwortet eine Verkleinerung. Die FDP wäre bereit, über eine Parlamentsreform zu reden – aber nur im Rahmen einer Kommission, die auch die Modernisierung der gesamten Verwaltung angeht. Man könne nicht über eine Reform des Abgeordnetenhauses nachdenken und die Bezirke ausklammern, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „Wenn sich Parlament und Politik neu justieren, dann allein in einem Gesamtpaket.“ Die FDP fordere seit einem Jahr eine Enquetekommission. Dort könne man zum Beispiel auch über die Absenkung des Wahlalters sprechen. Auch das hatte Parlamentspräsident Wieland ins Gespräch gebracht.
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sieht eine Umstellung auf ein Vollzeitparlament aus einem anderen Grund skeptisch: „Wenn die Abgeordneten nur die Parallelwelt des Parlaments und die Scheinwelten ihrer Parteizirkel kennen, sind sie keine besseren Abgeordneten.“
Die Linke wirft der CDU vor, bei dem Thema zu bremsen. „Wir fanden die Idee eines Vollzeitparlaments schon immer richtig“, erklärte Fraktionschef Udo Wolf. Entscheidend sei, das Parlament gegenüber dem Senat und der Verwaltung zu stärken. (dpa)
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