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Archiv-Artikel

Freiheit und Idealismus der amerikanischen Rechten

POLITIK Der US-Amerikaner Thomas Frank, Gründer des Magazins „The Baffler“, analysiert die rhetorischen Kniffe republikanischer Machtpolitik

Alle reden von Obama. Kaum jemand spricht von den Republikanern. Hinterwäldler mit altertümlichen Moralvorstellungen, lautet in der Regel das Urteil. Dass sich im Windschatten der Regierungszeit Barack Obamas in den USA eine völlig neu aufgestellte konservative Partei entwickelt hat, gerät derart völlig aus dem Blick. Der US-amerikanische Journalist und Autor Thomas Frank begleitet die jüngste rechte Renaissance seit Jahren publizistisch.

Schon 2004 widmete sich Frank unter dem Titel „What’s the Matter with Kansas?“ den Veränderungen der konservativen Landschaft in seinem Heimatbundesstaat. Wie konnte nach der schweren Schlappe, die ihr ein allzu rüpelhafter Präsident George W. Bush und die Finanzkrise von 2008 beigebracht haben, die Republikanische Partei zu ihrer derzeitigen Stärke finden? Franks Antwort in „Arme Milliardäre! Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt“: Die Rechten suchten ihr Heil in einem radikalisierten Marktliberalismus.

Der Takeover begann 2009 mit einer außerparteilichen Initiative einiger Republikaner. In Anlehnung an eine direkte Aktion gegen die britische Kolonialpolitik und ihre Zollbestimmungen, bei der aufgebrachte Amerikaner 1773 drei Ladungen Tee im Bostoner Hafenbecken versenkten, nannten sie ihre Bewegung Tea Party. Mit Demonstrationen, gar nicht etwa groß, aber dank guter Kontakte zu konservativen TV-Stationen sehr öffentlichkeitswirksam, lancierten die Aktivisten ihre Vorstellung, für die Finanzkrise könne nicht zu viel, sondern allein zu wenig Deregulierung verantwortlich gemacht werden.

Damit habe die Tea-Party-Bewegung sehr erfolgreich die Empörung der Menschen kanalisiert – über den Verlust ihrer Jobs, ihrer Eigenheime und die Rettung jener Banken, die durch riskante Geschäftspraktiken die Krise möglich gemacht hatten. Es sei, so Frank, tatsächlich gelungen, um den Begriff der Freiheit, angewendet nicht nur aufs Individuum, sondern auch auf die Ökonomie, „einen Idealismus von solcher Anziehungskraft“ zu entwickeln, „dass er bei ihren Anhängern die Wahrnehmung der Realität trübte“. Die dazugehörige Haltung, die inzwischen auch viele Wähler der Republikaner motiviert, entdeckte Frank als Parole auf einem Protestschild der allerersten Tea-Party-Demo: „Deine Hypothek ist nicht mein Problem“.

Ausführlich kritisiert der Autor so ziemlich jedes Versatzstück der neuen rechten Agenda. Auch die ausgesprochen populäre Autorin Ayn Rand – lange Zeit Lieblingsautorin des republikanischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, Paul Ryan –, die in ihren Romanen seit Jahrzehnten an der Umdeutung von Firmeneignern und Managern zu „hard working ordinary people“ arbeitet, bekommt ihr Fett weg.

Das alles offeriert Frank sehr detailreich, unterhaltsam und mit spitzer Feder geschrieben. Gern mehr erfahren hätte man darüber, in welcher Weise dieser „krude Populismus“, wie er über die neue rechte Ideologie urteilt, sich denn nun in republikanische Machtpolitik übersetzt.

„Arme Milliardäre“ ist ein Muss für alle, die verstehen wollen, um welche Wurst es im jetzigen Präsidentschaftswahlkampf geht. Und auch wenn das vielleicht nicht im Sinne Franks ist, der Obama von links für seine Zauderhaftigkeit kritisiert: Die Lektüre hilft darüber hinaus zu begreifen, warum der amtierende Präsident angesichts der neuen Beliebtheit der Republikaner und ihrer Blockadepolitik im Kongress, nicht stärker polarisiert, sondern sich als Mann der Mitte präsentiert. CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

Thomas Frank: „Arme Milliardäre! Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt“. Aus dem Amerikanischen von Thomas Wollermann. Kunstmann, München 2012, 224 Seiten, 18,95 Euro