: Alle wollen ins Stadion
Zum „Spiel das Jahrtausends“ empfängt die SV Drochtersen/Assel am 18. August den FC Bayern München zum DFB-Pokalspiel. Nur wenige Karten kommen in den freien Verkauf
Von Ralf Lorenzen
Am 8. Juni war die Welt für DFB-Präsident Reinhard Grindel noch in Ordnung, kein frühes WM-Aus, keine Özil-Debatte rüttelte an seinem Stuhl, stattdessen löste er in einer 11.000-Seelen-Gemeinde in der Nähe von Stade einen kollektiven Jubelsturm aus. Die Bilder gingen durch die Republik, wie im Vereinsheim der Spielvereinigung Drochtersen/Assel alle Hemmungen fielen, als Grindel dem Regionalligisten für die erste Runde des DFB-Pokals den FC Bayern München zuloste. „Seitdem wächst die Vorfreude auf das Spiel“, sagt Drochtersens Bürgermeister Mike Eckhoff der taz. „Ob auf dem Schützenfest oder beim Gespräch überm Gartenzaun, das Thema ist immer präsent.“
Im Ortsteil Assel gibt es allerdings einen, den die ganze Aufregung kaltlässt. „Mich interessiert das nicht, ich war noch nie im Stadion“, beschreibt Gastwirt Klaus Schröder sein Verhältnis zur Fußball-Euphorie im Ort. Schröder hat es mehr mit der Feuerwehr, die er 20 Jahre leitete, aber am Thema Fußball kommt auch er nicht vorbei. „Es wird ja über nichts anders mehr geredet“, sagt er. „Ich werde fast täglich nach Karten gefragt, obwohl ich da gar nichts mit zu tun habe. Einige sind schon etwas verschnupft, weil die wohl keine Karten bekommen, aber das ist ja logisch, dass nicht alle ins Stadion passen.“
Dass selbst bekennende Fußball-Muffel wie Schröder nach Karten gefragt werden, zeigt, welch begehrtes Gut der Zugang zu diesem „Jahrtausendspiel“ ist, wie es im Ort schon genannt wird. Trotz Errichtung von zwei Zusatztribünen im Kehdinger Stadion werden am 18. August nur 7.500 Zuschauer Platz finden. Noch ist nicht ganz klar, wie viele Karten am 1. August überhaupt noch in den freien Verkauf kommen, nachdem Mitglieder, Dauerkartenbesitzer, der FC Bayern München, VIPs und Sponsoren bedient worden sind. „Relativ wenig“, sagt Vizepräsident Jürgen von Allwörden und will sich auf keine genaue Zahl festlegen. Beim Pokalspiel gegen Borussia Mönchengladbach vor zwei Jahren mit gleicher Zuschauerkapazität, sind laut Stader Tageblatt 750 Karten frei verkauft worden – eine Zahl, die diesmal wohl eher unterschritten wird .
Die Karten werden am 1. August an Besucher des Regionalliga-Spiels gegen die zweite Mannschaft des FC St. Pauli verkauft. Jeder der eine Karte kauft, muss auch einen Ticket-Gutschein für zwei Regionalliga-Spiele seiner Wahl erwerben. Und am besten früh aufstehen. „Mir hat schon jemand gesagt, dass er sich um vier Uhr morgens anstellen will“, sagt von Allwörden. Damit diejenigen, die in die Röhre gucken, das Fußballfest zumindest als Gruppenerlebnis feiern können, wird es möglicher weise ein Public Viewing in der Drochtersener „Kulturscheune“ geben. Die Planungen dafür sind laut Bürgermeister Eckhoff aber noch nicht abgeschlossen.
Mike Eckhoff, Bürgermeister
Für den hohen Organisationsaufwand, der auf Verein und Gemeinde zukommt, werden die Erfahrungen aus dem Spiel gegen Mönchengladbach genutzt. Das Verkehrskonzept wird sich daran orientieren und auch die beiden Zusatztribünen ab kommender Woche mit Unterstützung von Vereinsmitgliedern in ähnlicher Form errichtet. „Allerdings möchten die Bayern diesmal 300 Sitzplätze haben“, sagt von Allwörden. Wie der Verein die nach Abzug der Kosten verbleibenden Einnahmen verwenden wird, ist laut von Allwörden noch nicht entschieden. Es gäbe allerdings seit Längerem den Bedarf nach einem zusätzlichen Trainingsplatz. Zur Höhe des erwarteten Gewinns wollte der Vizepräsident keine Angaben machen, Schätzungen gehen von etwa 100.000 Euro aus.
Für die Bekanntheit von Drochtersen ist der Fußball schon im Normalbetrieb ein bedeutender Imagefaktor. Jetzt kommen noch Bilder in der „Sportschau“ und auf Sky hinzu. „Das kann man mit Geld gar nicht messen“, sagt Eckhoff. „Aber das Wichtigste ist, dass wir wieder ein Volksfest erleben wie gegen Borussia Mönchengladbach.“ Wer die Reise ins nördliche Niedersachsen mit einem Wochenende auf der Elbinsel Krautsand verbinden will, sollte schnell buchen. „Dort ist die Auslastung während der Ferien sowieso hoch“, so Eckhoff.
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