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Die Baumeister des Films

Fertigen Filmen ist oftmals gar nicht anzusehen, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Unser Autor hat hinter die Kulissen einer Produktionsfirma in Bremen geschaut

Von Wilfried Hippen

Wie wird aus einer Idee ein Film? Einfach ist das jedenfalls nicht, denn bewegte Bilder sind eine kollektive und teure Kunst. Geld und eine gute Organisation sind deswegen enorm wichtig beim Filmemachen. Darum kümmern sich Produzenten, doch ihre Arbeit ist zugleich so umfangreich und diffus, dass sie von allen Gewerken am schwierigsten zu fassen ist.

Matthias Greving, der 2013 die Bremer Produktionsfirma Kinescope gründete, sagt: „Produzieren besteht aus Handwerk und Glück.“ Ihre Büros hat Kinescope in der Bremer Böttcherstraße. Die Firma beschäftigt zehn festangestellte Mitarbeiter.

Etwa 50 verschiedene Projekte sind dort gerade in Arbeit – von den ersten Stadien einer Produktion wie der Drehbuchförderung bis zur Endfertigung eines Spielfilms. Aktuell arbeitet Kinescope an einer Live-Show von der Premiere der Oper „Lohengrin“ bei den Wagnerfestspielen in Bayreuth, die am nächsten Mittwoch vom Pay-TV-Sender Sky ausgestrahlt wird. 20 Kamerateams sind dabei im Einsatz, 425 Minuten soll die Sendung dauern, und 40 sogenannte Einspieler, kleine informative Beiträge, mussten vorproduziert werden. Man kann sich vorstellen, was für eine logistische und strategische Kraftleistung es ist, all das auf den Punkt genau zu organisieren. Dies ist bereits die dritte Wagneroper, deren Übertragung Kinescope live in Bayreuth produziert hat. Im letzten Jahr wurde die Live-Show zu „Die Meistersänger“ für den Grimme-Preis nominiert.

Was hier konzentriert in Echtzeit fertiggestellt wird, also Dreharbeiten, Schnitt, Bearbeitung und Veröffentlichung, dauert sonst oft Jahre. Und alle diese Fertigungsschritte organisiert ein Produzent. Das kann von der ersten Idee bis zur Premiere schon mal neun Jahren dauern wie etwa bei der Musikdokumentation über die britische Musikerin Anne Clark „I’ll Walk Out Into Tomorrow“, die in diesem Frühjahr in die Kinos kam. Für Kinescope war es ein richtig schwerer Brocken, weil die Finanzierung sich sehr schwierig gestaltete. Denn das Geld zu beschaffen, ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Produktionsfirma.

Kinescope trägt bei ihren Projekten „die wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung“, erklärt Janina Sara Hennemann, die als „Producerin“ Teil der Firma ist. Die Formate haben dabei eine erstaunliche Bandbreite. So lieferte Kinescope etwa Dokumentationen für Fernsehsender wie „Als die Hits vom Platten Land kamen“ über Musikproduktionsstätten in Norddeutschland oder die Arteproduktion „Bücherjäger“ von Susanne Brahms, für die sie einen Preis auf dem Chicago Television Festival gewonnen haben. Für das Kino produzierten sie Dokumentationen wie „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“, die auf der Berlinale gezeigt wurde. Ein paar Werbekampagnen für einheimische Betriebe wie die Bremer Straßenbahn AG setzten sie auch um – und sie produzieren viele Kurzfilme, obwohl damit kein Geld zu verdienen ist. Hennemann versteht sie als „Talentförderung“, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Zusammenarbeit mit den FilmemacherInnen bei späteren, gewinnträchtigeren Produktionen.

Etwas übersichtlicher sind die Arbeiten der Produzenten bei Fernsehdokumentationen. Sie machen erste Recherchen und entwickeln ein Konzept, das sie beim Sender vorlegen. Wenn sie dann den Auftrag bekommen, dreht ein dreiköpfiges Team (Regie, Kamera und Ton) die Doku. „Wir kümmern uns dann um die Reisen und die Rechte“ erklärt Hennemann – alle aufgenommenen Personen müssen ihre Zustimmung dazu geben, dass sie in den Film zu sehen sind und auch die Rechtslage beim verwendetem Archivmaterial oder der Musik muss geklärt werden. Die Postproduktion wird bei kleineren Projekten im Hause gemacht, denn zu den Räumen in der Böttcherstraße gehören auch kleine Schnitt- und Tonstudios.

Kinescope produziert viele Kurzfilme, obwohl damit kein Geld zu verdienen ist – für die Produktionsfirma ist das Talentförderung

Die bislang größte Produktion von Kinescope ist der Spielfilm „Die Hände meiner Mutter“ von Florian Eichinger. Bei solch einem fiktionalen Kinofilm erstellen die Produzenten ausgehend vom Drehbuch als erstes ein Produktionsplan mit dem benötigten Budget. Dann werden die Gelder akquiriert – und da die Nordmedia diesen Film zu einem großen Teil förderte, wurde er auch in Bremen gedreht. Projektbezogen wurde das Filmteam angestellt, zu dem auch ein Produktionsleiter, ein Regieassistent und ein Aufnahmeleiter gehörten. Nach den Dreharbeiten kam der Film in die Postproduktion mit Gewerken wie Schnitt, Tonbearbeitung, Musik und Sounddesign. Fertig war er dann im Frühjahr 2016. Er feierte auf dem Filmfest München seine Premiere, wo er zwei Preise gewann. Ein halbes Jahr lang tourte er über weitere Festivals, war auch auf dem Filmfest Hamburg zu sehen, bevor er Ende des Jahres in die Kinos kam (taz berichtete). Es folgte eine Veröffentlichung auf DVD und Streaming auf Amazon Prime.

Heute Abend wird er schließlich um 23 Uhr in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ im ZDF ausgestrahlt. Er hatte für seine Vermarktung „ein gutes Fenster von zwei Jahren“ sagt Hennemann zu dieser Erfolgsgeschichte, deren Bilanz bei Kinescope gezogen wird, denn das Produktionsstudio verdient letztlich an einem Film oder es macht mit ihm Verluste. Wie Matthias Greving sagt, es geht um „Handwerk und Glück“.

Die Live-Show zu der Eröffnungspremiere von „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen wird auf Sky Arts HD und Sky 1 am 25. 7. ab 15 Uhr übertragen

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