: Die halbe Kuh auf dem Gleis
Deutsche Bahn saniert Hamburg–Sylt-Strecke
Manchmal kommt seine Zeit als Vorstand beim Großverlag Gruner + Jahr wieder hoch: „Die Kuh ist noch nicht ganz vom Gleis“, kalauerte Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) am Donnerstag. Nur langsam würden Zugfahrten entlang der Westküste zwischen Hamburg und Westerland auf Sylt bequemer und zuverlässiger werden, in vier Jahren etwa soll es dann endlich so weit sein. Mit Investitionen in Höhe von 160 Millionen Euro will die Deutsche Bahn die marode Strecke wieder flottmachen. „Damit ermöglichen wir einen stabilen Zugverkehr für Inselbewohner, Pendler und Touristen“, versprach DB-Vorstand Volker Hentschel, bei der Vorstellung der Sanierungspläne in Kiel.
Bevor es aber besser werden kann, muss es zunächst noch viel schlechter werden. 2019 und 2020 müssen Bahnreisende auf der Verbindung „signifikante“ Einschränkungen erdulden. Die Züge führen dann seltener und langsamer. Rund 200 Kilometer Gleise und mehr als 30 Weichen müssen erneuert werden, dazu etliche Bahnübergänge und Brücken, Signaltechnik und das elektronische Stellwerk Westerland. „Uns ist allen bewusst, dass die Situation auf der Marschbahn akut ist“, sagte Hentschel.
Buchholz hatte der Bahn Mitte Juni mit Vertragskündigungen gedroht, falls sie die Probleme auf der Strecke Hamburg–Westerland nicht in den Griff bekommt. Die Situation sei seit dem vergangenen Jahr „evident schlechter geworden“, wochenweise liege die Pünktlichkeitsquote unter 50 Prozent – vertraglich vereinbart sind 93 Prozent pünktliche Züge.
Das Land wollte deshalb mit Strafzahlungen auch weiterhin den höchstmöglichen Druck auf die Deutsche Bahn ausüben – allein für Mai 2018 wurde ein Bußgeld von 500.000 Euro verhängt. Pendler mit Monatskarten würden wie schon in den Monaten davor Entschädigungen erhalten. Als Kernproblem für die vielen Verspätungen und Zugausfälle nannte Buchholz fehlende Investitionen in der Vergangenheit: „Das ist das Ergebnis, wenn man Infrastruktur über Jahre einfach liegen lässt.“ Der grüne Sylter Landtagsabgeordnete Andreas Tietze schilderte den Zustand des Bahnverkehrs drastischer: „Zu spät, zu dreckig, gar nicht.“
Aber nun soll ja bald alles besser werden – nachdem es zuvor noch schlechter wurde.
Sven-Michael Veit
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