: Polizei ermittelt gegen NSU-Demo
Unangemeldete Spontan-Demo mit 350 Teilnehmer*innen zog am Tag der NSU-Urteile durch das Viertel
Von Gareth Joswig
Penetrant filmt der Polizist den friedlichen Protestzug. Etwa 350 Menschen haben sich am Mittwochabend versammelt, um im trostlosen Dauerregen von Bremen zu demonstrieren – am Tag des NSU-Urteils gegen Beate Zschäpe und weitere Helfer aus dem NSU-Umfeld. Der Demozug ist unangemeldet. „Wir sind nicht hier, um nach Erlaubnis zu fragen, wir sind hier, um anzuklagen!“, schreit eine Aktivistin zu Beginn der Demo am Ziegenmarkt im Viertel ins Mikro. Es sei ein wichtiges politisches Signal, nicht die Sicherheitsbehörden um Erlaubnis zu fragen, wenn es um Kritik an eben jenen Behörden ginge, heißt es in einer Mitteilung von „Kein Schlussstrich Bremen“.
Weil die Demo nicht angemeldet war, ermittelt die Polizei nun wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Und vermutlich war auch das der Grund für das Filmen von Polizeiseite, denn die Demo blieb friedlich. Irgendwann hat ein Demoteilnehmer es satt. Er löst sich aus dem Marsch und geht mit gezückten Smartphone auf den filmenden Polizisten zu. Er stellt sich direkt vor ihn, nimmt ihn seinerseits mit dem Handy auf. Etwa zehn Sekunden lang halten sie sich gegenseitig die Kameras in das Gesicht. Dann schließlich senkt der Polizist die Kamera und der Mann geht zurück in den Demonstrationszug.
Die Menschen ziehen weiter und skandieren: „Nazis morden, der Staat schaut zu! Verfassungsschutz und NSU!“ Diejenigen, die keine Regenschirme oder -jacken dabei haben, werden komplett nass. Das Wetter passt zur Gefühlslage nach den milden Urteilen für NSU-Helfer wie Ralf Wohlleben und André Eminger. Aber die linken Aktivist*innen demonstrieren auch, um den Blick auf die eigenen Strukturen zu richten: Als die NSU-Opfer in Kassel vor der Selbstenttarnung des NSU unter dem Motto „Kein zehntes Opfer“ demonstrierten, habe auch die radikale Linke nicht zugehört. „Rassismus ist eben nicht nur der Rassismus der anderen und wird auch von uns tagtäglich reproduziert.“
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