: Die Boykotteurin der Hochzeit
WECHSELNDE FAHRZEUGE „Qué tan lejos“, der Erstlingsfilm von Tania Hermida, ist ein klassisches Roadmovie, oft ein bisschen zu brav und dann wieder zu verquer
„Qué tan lejos“ ist ein klassisches Roadmovie; der Weg ist das Ziel, da und dort werden Fahrzeuge (Autobus, Auto, Pferd und Motorrad) gewechselt, Freundschaften geschlossen, interessante Menschen getroffen; sehnsuchtsvolle Blicke werden auf Busbahnhöfe, sonntäglich verwaiste Kleinstädte in Kolonialarchitektur und die pittoreske Andenkulisse Ecuadors geworfen. Tania Hermidas unterhaltsamer Debütfilm von 2006 wurde in Ecuador zum erfolgreichsten einheimischen Film und auf mehreren Filmfestivals ausgezeichnet. Wohl auch deshalb wurde die Regisseurin ein Jahr später in die verfassunggebende Versammlung Ecuadors gewählt, die bis zum folgenden Jahr eine Verfassung erarbeitete, die auch angenommen wurde.
Die junge Tristeza (Cecillia Vallejo) liest gerne Bücher von Borges und anderen, die davon handeln, dass sich das wahre Leben in Büchern abspielt. Sie ist auf dem Weg nach Cuenca, der friedlichen Gartenstadt im Süden des Landes, um die Hochzeit ihres Kurzzeitgeliebten zu verhindern. Im Bus trifft sie auf Esperanza (Tania Martinez), eine spanische Backpackerin, die mit dem „Loneley Planet“ zum selben Ziel reisen möchte. Tristeza ist still und ein wenig in sich gekehrt; Esperanza redet zu viel und filmt ständig die interessante Umgebung, um sie in Besitz zu nehmen und zu Hause dann ins Buchregal stellen zu können. Ein berühmter Berg, den sie unbedingt mitnehmen wollte, versteckt sich jedoch hinter Wolken. Er zeige sich keinen Ausländern, sagt Jesus, ein einheimischer, hippiehafter Schauspieler, Philosoph und Lebenskünstler, der mit der Asche seiner Oma unterwegs ist, die – ebenfalls in Cuenca – begraben werden soll.
Die Reise erschwert sich wegen eines Streiks der indigenen Bevölkerung, die ansonsten – abgesehen von zwei netten Jungs auf Motorrädern – im Film unsichtbar bleibt. Weil die Straßen also gesperrt sind, bleibt der Bus stehen und die beiden jungen Frauen beschließen, per Autostopp weiterzufahren; werden von zwei Journalisten mitgenommen, die sie vor einer menschenleeren, in der Landschaft herumstehenden Barrikade als Streikopfer interviewen, treffen auf den erwähnten Jesus, wechseln die Fahrzeuge, trennen sich und finden einander wieder. Zufälligerweise nimmt sie irgendwann ein junger Mann mit, der der beste Freund des Mannes ist, dessen anstehende Hochzeit zu verhindern Tristeza aufgebrochen ist. Es geht auch um die Differenzen zwischen Spanien und dem ehemals kolonisierten Ecuador; einen seiner besten Momente hat „Qué tan lejos“ gegen Ende, als sich Tristeza (Cecillia Vallejo) kurzzeitig mit ihrem Landsmann, einem Barkeeper, am schönen Meeresstrand gegen ihre irritierte Reisebegleiterin verbündet.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf und endet im philosophisch Ungefähren. Man merkt es dem so angenehm wie irgendwie auch braven Film an, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt, einerseits strahlt er die Frische des Debüts aus, andererseits ist er auch ein wenig an den Haaren herbeigezogen, und die Schauspielerinnen wirken nicht immer glaubhaft. Da war man schon ein wenig erstaunt, dass die 41-jährige Regisseurin seit 1996 eine Filmprofessur an der Universität von Quito innehat.
DETLEF KUHLBRODT
■ Info: siehe taz-plan