: Russland, ein Sommermärchen
Es war einmal ein Fürst, der hatte ein Großes Turnier. Und eine Mannschaft. Und das Wetter war gut
Von Andreas Rüttenauer
Vor Zeiten herrschte Fürst Wladimir über das Reich. Sein Hunger nach Macht war groß und gefürchtet. Nach immer mehr Ruhm dürstete es den Fürsten. Er wollte das Große Turnier ins Land holen, bei dem die besten Wettkämpfer aller Reiche um ein Ding stritten, dass sie Fußball nannten. Und so versprach er, neue Turnierplätze zu bauen, so groß und so schön, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Und er bekam, was er wollte, das Große Turnier.
Als nun die Zeit kam, da das Turnier nicht mehr weit war, da fragten ihn die Seinen, wen er denn gedenke, für sein Reich auf den Wettkampffeldern streiten zu lassen. Fürst Wladimir sandte seine Boten aus, auf dass sie die besten Ritter des runden Leders, die sich im Reiche finden ließen, zu ihm in den Kreml der großen Stadt Moskau holten. Das Lachen, das der Herrscher ausstieß, als er die unförmigen Gestalten sah, die nun da standen, hallte noch lange nach. Es war ein trauriges Lachen. Fürst Wladimir und all seine Untertanen fürchteten, dass diese Männer nichts als Schande über das Reich bringen würden.
Fürst Wladimir lobte ewigen Ruhm als Preis für denjenigen aus, der aus diesen Gurken Stahl formen würde. All diejenigen im Reich, die schon Turniere gewonnen und edle Trophäen für ihre Burgen gesammelt hatten, verkrochen sich in die tiefsten Löcher, auf dass man sie nicht finde. Am Ende stand ein runder Mann, den sie Stanislaw nannten, den Ruhmreichen, vor Fürst Wladimir und sprach, er wolle die Männer zu Siegern formen. Nun, wenn sich kein anderer finde, so sprach Fürst Wladimir, dann solle er ruhig machen.
So war die Zeit des Großen Turniers gekommen, und all die, welche gesehen hatten, wie elend die Truppe kurz zuvor immer noch ausgesehen hat, die wollten bestimmt nicht dabei sein, als der Wettkampf gegen die Ritter des grünen Halbmonds anstand. Fünf lederne Bälle wurden den Männern, die aus der Wüste angereist waren, eingeschenkt. Nicht nur Fürst Wladimir rieb sich die Augen. Das ganze Land versammelte sich auf den großen Plätzen der Städte, auf denen Bilder der Wettkämpfe auf riesige Leinwände gemalt wurden. Wladimirs Untertanen trauten ihren Augen nicht, als sie sahen, wie die gerade noch so traurigen Gestalten dann auch den Söhnen Pharaos heimgeleuchtet haben.
Ein Wunder, sei geschehen meinten sie, und fielen vor den Männern, die sie gerade noch verlacht hatten, auf die Knie. Jubelrufe hallten durch das ganze Land. Doch der runde Mann, den sie Stanislaw nannten, den Ruhmreichen, bedeutete ihnen zu schweigen. Das Große Turnier, sagte er, sei noch lange nicht zu Ende. Und so schickte er seine Mannen in die nächste Schlacht des Großen Turniers.
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