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Archiv-Artikel

Schlafplatz? Schlange stehen!

SEMESTERSTART Mehrere hundert Anfragen auf ein einziges WG-Zimmer: Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt trifft StudentInnen ohne viel Geld besonders hart

„Die schlechte Wohnsituation kann zum Studienabbruch führen“

ERIK MARQUARDT, FZS

VON NIKOLAI SCHREITER UND BENJAMIN MOSCOVICI

Mehr als 50 Mails hat Johannes Metternich verschickt, um ein Zimmer zu finden – ohne Erfolg. Der 20-jährige Kölner beginnt nächste Woche ein Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität. Zweimal war er in den vergangenen Wochen für je eine Woche in Berlin, um zu suchen. Auf die meisten Mails hat er keine Antwort bekommen. Von den sieben WGs, die er besichtigt hat, hat ihm eine einzige ein Zimmer angeboten – für einen Monat.

So wie ihm geht es vielen Studierenden, die neu in die Stadt kommen. „Viele Studierende haben einen Studienplatz, aber noch kein Zimmer“, sagt Erik Marquardt vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs). Die Wohnheime des Studentenwerks sind überfüllt, auf den Wartelisten stehen mehr als 1.200 Leute. Laut fzs reichen die etwa 10.000 Wohnheimplätze in Berlin nur für knapp 7 Prozent der Studierenden.

Nach Angaben der Wohnungsbörse Immobilienscout24 kostet ein Zimmer in einer Berliner Dreier-WG mit 80 Quadratmetern im Schnitt knapp 280 Euro. Berlin liegt damit im bundesweiten Kostenvergleich im unteren Drittel. Spitzenreiter ist München, dort kostet das Musterzimmer stolze 470 Euro. Das Durchschnittseinkommen der Berliner StudentInnen liegt laut Deutschem Studentenwerk im bundesweiten Vergleich hingegen im oberen Mittelfeld: 876 Euro. In Berlin gehen also immerhin rund 30 Prozent des studentischen Budgets für die Miete drauf.

Der Run auf die Wohnungen ist allerdings je nach Bezirk unterschiedlich ausgeprägt. Laut dem Internetportal wg-gesucht werden an AnbieterInnen von Zimmern in beliebten Bezirken wie Prenzlauer Berg, Friedrichshain oder Neukölln oft innerhalb von wenigen Stunden mehrere hundert Anfragen gesendet. Deshalb stünden diese Angebote oft auch nur sehr kurz im Netz. In anderen Bezirken sei die Nachfrage jedoch deutlich geringer. Auf ein Testinserat der taz für ein Zimmer in Wedding meldeten sich innerhalb von 24 Stunden immerhin knapp 100 Personen.

Im August 2012 wurden auf wg-gesucht.de rund 231.000 Anfragen auf 8.000 Angebote verschickt, im August des Vorjahres waren es noch 196.000 Anfragen auf 6.500 Angebote. Die Nachfrage auf dem Portal ist also um gute 2 Prozentpunkte mehr gestiegen als das Angebot.

Dass die Zimmersuche in Berlin so schwierig ist, habe auch damit zu tun, dass es immer mehr Einpersonenhaushalte gebe, so der Berliner Mieterverband – insgesamt schon mehr als die Hälfte. Dieser Trend gelte auch für Studierende. Erik Marquardt vom fzs befürchtet, dass das beschränkte Angebot Studierende zwingt, teure und unsichere Angebote anzunehmen. Wenn Studierende für ihr Zimmer etwa mehr arbeiten müssten, beeinträchtige das die Qualität des Studiums. So könne die schlechte Wohnsituation „sogar zum Studienabbruch führen“, sagt Marquardt. Der fzs fordere deshalb ein „Bund-Länder-Programm zur Schaffung von Wohnraum“.

Wie viele StudentInnen zu Semesterbeginn ohne Unterkunft dastehen, ist derzeit unklar. Notunterkünfte aber, etwa in Turnhallen, sind nach Angaben des Studentenwerks anders als in anderen deutschen Städten „nicht notwendig“.