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die dritte meinungEuropa darf Menschenrechte und Völkerrecht nicht in Frage stellen, sagt Barbara Lochbihler

Barbara Lochbihler

ist Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament und außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Grünen/EFA..

Völkerrecht einhalten? Menschenrechte schützen? Gerne, aber nur wenn es passt. Das ist das Signal, das in der Migrationsdebatte wiederholt von Europa ausgeht. Selbst eines der ethisch elementarsten Regelwerke, das internationale Seenotrettungsrecht, steht zur Disposition, wenn es um Flüchtlinge und Migranten aus Afrika geht.

Die Auswirkungen dieser Politik sind vielfältig. So erfuhr ich kürzlich bei meinem Besuch der UN von EU-Di­plomaten, dass ihre Menschenrechtskritik zunehmend zurückgewiesen wird mit dem Verweis darauf, dass Europa ja selbst vom Schutz der Menschenrechte Abstand nimmt, geht es um die Rechte und das Leben von Flüchtlingen an den Außengrenzen. Getrieben von den Ängsten, die sie selbst schüren, fegen rechte Populisten mit und ohne C in einem rasanten Tempo Standards vom Tisch, deren Einhaltung von anderen verlangt wird.

Schon der EU-Türkei-Deal basiert auf einer gefährlichen Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention. Die aktuellen Pläne zur Zurückweisung an den Außengrenzen stellen die Konvention grundlegend in Frage. Das bedeutet eine weitere Schwächung von Völkerrecht und Menschenrechtspolitik.

Grund für die eskalierte Situation sind nicht unbewältigbare „Flüchtlingsströme“, sondern die Unfähigkeit, sich in der EU auf einen gerechten Mechanismus der Verantwortungsteilung zu einigen. Während die Flüchtlingszahlen weltweit steigen, sind sie in Europa rapide zurückgegangen. Es ist viel vom Dominoeffekt innerhalb der EU die Rede, der von einer deutschen Grenzschließung ausgehen würde. Die negativen Auswirkungen dieser manisch betriebenen Abschottungspolitik reichen aber geografisch wie politisch weit über Europa hinaus. Flüchtlingsschutz ist eine internationale Aufgabe. Wenn reiche und hoch organisierte Länder mit einer vergleichsweise geringen Zahl von Flüchtlingen die Grenzen schließen, werden andere folgen. Die europäische Politik der Abschottung und der Abwälzung von Verantwortung unterminiert die Bereitschaft zum Flüchtlingsschutz international.

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