: Schlagloch, Feinstaub, Zölle
Von Simone Schlindwein, Kigali
Afrika war bislang für Automobilhersteller kaum interessant. Der Grund: Nur die wenigsten Afrikaner konnten sich ein Privatfahrzeug leisten. Derzeit fahren gerade einmal rund 42 Millionen registrierte Fahrzeuge auf Afrikas Straßen – bei einer Bevölkerungszahl von 1,2 Milliarden auf dem gesamten Kontinent. Hauptnutzer: Transport- und Logistikunternehmen sowie Regierungen, die ihren Beamten und Ministern allrädrige Geländewagen für die häufig nicht asphaltierten Straßen zur Verfügung stellen.
Doch Afrikas Mittelklasse wächst rasant – und damit auch der Bedarf an eigenen Autos. Bislang wurden vor allem gebrauchte Autos importiert: aus Europa nach Westafrika, aus Japan in den Osten des Kontinents. Toyota ist die führende Marke auf afrikanischen Straßen.
Doch auch gebrauchte Fahrzeuge sind in Afrika teuer. Der Grund: hohe Importzölle. In der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) betragen diese bis zu 100 Prozent, je nach Baujahr und Modell. Das heißt: Selbst wenn der Gebrauchtwagen eigentlich nur 5.000 Euro kostet, muss der Kunde noch einmal denselben Betrag drauflegen – meist auf Kredit, bei Bankzinsen von derzeit 18 Prozent in Ruanda und sogar 25 im Nachbarland Uganda. In vielen Ländern ist überdies der Import alter Gebrauchtwagen mittlerweile verboten, aus Umwelt- und Sicherheitsgründen.
Dazu kommt: Auf afrikanischen Buckelpisten haben Autos gerade einmal eine durchschnittliche Verweildauer von fünf bis acht Jahren, bis sie kaputtgehen. Denn die meisten afrikanischen Straßen sind nicht geteert. Und selbst wenn sie einmal Asphalt abbekommen haben, verfügen sie über kratertiefe Schlaglöcher. Manche sind so tief, dass Fahrzeuge stecken bleiben oder die Achse bricht, wenn man hineinfährt. Vor allem sind die Reparaturkosten horrend, da auch sämtliche Ersatzteile aus dem Ausland eingeführt werden müssen.
Moderne Straßennetze gehören zu den Entwicklungsprioritäten der meisten Regierungen in Afrika, und mit der wachsenden Mittelschicht wird der Kontinent jetzt für internationale Automobilhersteller als Absatzmarkt für Neuwagen interessant. Die Bevölkerung Afrikas soll sich bis 2050 von derzeit 1,2 Milliarden auf über 2 Milliarden fast verdoppeln. Die konsumkräftige Mittelklasse wächst noch rasanter.
Problem: Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen stecken immer mehr Autos im Stau fest. Vor allem zu Stoßzeiten sind die Hauptstraßen der meisten Großstädte im Dauerstau. Afrikas Hauptstädte wurden zu Kolonialzeiten oft zentralistisch geplant: Büros und Ministerien liegen im Zentrum, die Angestellten leben in den Vorstädten. Das heißt: Morgens strömen alle in die Innenstadt – und abends wieder hinaus. Die Straßen sind eng, es gibt kaum Ampeln oder Verkehrsleitsysteme, an Verkehrsregeln halten sich die wenigsten.
Kenias Hauptstadt Nairobi, Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos oder Ugandas Hauptstadt Kampala sind berüchtigt für ihre Verkehrskollapse – da geht zu Stoßzeiten oft stundenlang gar nichts mehr. Dadurch ist die Feinstaubbelastung in Afrikas Städten inzwischen mitunter fast so hoch wie in den asiatischen Megacitys Mumbai oder Peking. Moderne, schadstoffarme Autos werden auch in Afrika immer wichtiger.
Die meisten internationalen Hersteller auf dem Kontinent investierten bisher in Südafrika. Der deutsche Volkswagen war dort bereits in den 1970er Jahren das meistverkaufte Auto, der VW-Käfer wurde in Afrika über eine halbe Million Mal verkauft, vor allem an Regierungen. An diese Geschichte möchte Volkswagen jetzt anknüpfen. Nach Südafrika eröffnete VW 2016 ein Werk in Nigeria, im vergangenen Jahr in Kenia. Jetzt in Ruanda. Als nächstes sind Äthiopien und Ghana im Gespräch.
Aber auch afrikanische Hersteller fertigen nun ihre eigenen Fahrzeuge. In Uganda errichtet das Start-up-Unternehmen Kiira Motors derzeit ein Werk, um Elektroautos für den heimischen Markt zu fertigen.
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