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Mythologie des Wassers

Im Zeughauskino am Samstag: der Film „Die Welt des Schweigens“

Von Peter Nau

Unterwasserfilme zeigten uns erstmals die Wunder der Meerestiefe, das Leben und Treiben dort unten, wohin kein Sonnenstrahl dringt. Eine Welt, deren stille Fremdheit sich aus dem Fehlen von Kontakt mit der unsrigen erklärt.

Anfangs umgibt kristallklares, von der Sonne durchleuchtetes Wasser die Tiefseetaucher. Dann nimmt es allmählich eine graue Farbe an – diejenige eines Dunkels also, das noch mit einigem unverzagtem Licht vermischt ist. Nicht leicht steht dieses von weiterem Vordringen ab: Es ist sein Wesen und Wille, zu erleuchten, und es tut es bis zum Äußersten. Dann freilich herrscht vollkommene Schwärze ringsum, die seit Ewigkeiten auch nicht vom schwächsten Sonnenstrahl berührte Finsternis des interstellaren Raumes, die ewig stille und jungfräuliche Nacht, welche es sich nun gefallen lassen muss, von einem aus der Oberwelt mitgebrachten Kunstlicht nichtkosmischer Herkunft durchhellt und durchsichtet zu werden.

Unbeschreiblich, was da in verwirrtem Flitzen vorüberhuscht oder willenlos in der Flut schwebt.

Raum des Lebens

Ich glaube aber nicht, dass die Faszination dieser Filme nur vom Formen- und Farbenreichtum ihrer Entdeckungen herrührt, sondern auch etwas mit der Mythologie des Wassers zu tun hat. Die Loslösung von den irdischen Ketten wird vom Fisch ebenso wie vom Vogel symbolisiert. Aber während der Himmel oben leer und steril ist, nur auf das Feuer der Sterne oder die Kälte toter Planeten geöffnet, ist der Raum unten der des Lebens.

Von diesem Leben sind wir nur ein Sandkorn, zurückgelassen mit ein paar anderen am Gestade des Meeres. Der Mensch, sagen die Biologen, ist ein Meerestier, das sein Meer in sich trägt. Es erstaunt also nicht, dass das Tauchen ihm eben auch das dumpfe Gefühl verschafft, zum Ursprung zurückzukehren.

„Die Welt des Schweigens“ (1956) von Jacques-Yves Cousteau und Louis Malle eröffnet am 16. Juni, 18.30 Uhr, im Zeughauskino die Reihe „Europa und das Meer“, begleitend zur gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum.

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