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Zusammenhalt statt Konkurrenz

Vorschau auf „Claiming Common Spaces“im HAU, wo es wieder um die Frage geht: Wem gehört die Stadt?“

McDonald’s Radio University von Akira ­TakayamaFoto: Foto: HAU

Von Tom Mustroph

Geht es in Berlin um die Stadt, dann dreht sich die Diskursschraube meist schnell um Gentrifizierung und Mietwucher. Das ist natürlich ein gravierendes Problem. Allein auf die Milieu-Veredler und die Veredlungsgewinnler zu blicken hat aber auch hysterisch-reduktionistische Züge an sich.

Bei „Claiming Common Spaces“, einem dreitägigen Kunst- und Diskursfestival im HAU, wird die Bedrohung des städtischen Zusammenlebens breiter gefasst. Zwar ist Verdrängung durch Kostensteigerung auch ein Thema. Der japanische Künstler Akira Takayama nimmt sich diesen Aspekt vor mit seiner McDonald’s Radio University, allerdings mit einer ironischen Volte. „Er hat in Tokio die Erfahrung gemacht, dass der einzige öffentliche Raum, an dem er 24 Stunden sein konnte mit nur einer Cola und an dem er nicht aufgefordert wurde, mehr konsumieren zu müssen, eine McDonald’s-Filiale war“, beschreibt HAU-Intendantin Annemie Vanackere den Ursprung dieser besonderen mobilen Universität. Am Donnerstag von 18 bis 20 Uhr und am Freitag und Samstag jeweils von 12 bis 22 Uhr lädt Takayama in Berlin lebende Migrationsexperten von Afghanistan über Syrien bis in die ­Ukraine zu Vorträgen und Debatten ein.

Die Stadt als Geisel

Kernthemen des Festivals sind laut Vanackere aber eher die Stadt als zukünftige Geisel der Internetwirtschaft oder die Praktiken einer Care City. „Das Labor ‚Stadt als Byte‘ untersucht die Veränderungsprozesse, die die Stadt durch die Logistik erfährt. Überall sieht man die Lieferfahrzeuge, die Produkte ausfahren, die die Leute im Internet bestellt haben. Wir fragen uns, was geschieht mit einer Stadt, in der keine Läden mehr nötig sind? Welche sozialen Begegnungsmöglichkeiten gibt es dann?“, erzählt Vanackere. Berliner Erfahrungen werden mit solchen aus San Francisco abgeglichen, wo Google, Amazon & Co. für einen Preisdruck gesorgt haben, der momentan selbst an der Spree noch kaum denkbar scheint (22. 6., 12–16 Uhr, HAU2).

„‚Care City‘ ist ein Thema, mit dem sich das Tanzhaus NRW im Rahmen der künstlerischen Forschungsreihe ‚Residenzen im Realen‘ schon länger beschäftigt hat“, erläutert Vanackere weiter das Programm. „Künstler sind in Spitäler und Altenheime gegangen und haben dort choreografische Praktiken der Fürsorge entwickelt.“ Vanackere sieht hier Kunst und Künstler nicht als Ersatzdienstleister für entkernte Fürsorgesysteme, sondern als Experimentatoren gegen eine Stadt, die die Alten und Kranken von ihren Straßen und Plätzen verbannt (23. 6., ­12–16 Uhr, HAU3).

Pure Kunstprojekte gibt es bei diesem Diskurs-Festival, das mit einem Vortrag der New Yorker Stadtsoziologin Sharon Zukin eingeleitet wird, nur wenige. Herauszuheben ist dabei der vielstimmige Frauenchor „Corbeaux“, den die marokkanische Choreografin Bouchra Ouizguen mit Berlinerinnen einstudiert und der im Theodor-Wolff-Park (21. und 22. 6. 18 Uhr) und auf einem Parkdeck auftritt (21. 6. 21 Uhr, Parkdeck Hallesches Ufer 60).

Internationales Bündnis

Experimentatoren gegen eine Stadt, die Alte und Kranke von ihren Straßen und Plätzen verbannt

„Claiming Common Spaces“ ist ein Projekt, das von einem neu gegründeten Bündnis internationaler Produktionshäuser gemeinsam organisiert wird. Für drei Jahre werden das HAU, Kampnagel Hamburg, Mousonturm Frankfurt, FFT und Tanzhaus NRW Düsseldorf, PACT Zollverein Essen und Hellerau Dresden mit insgesamt 12 Millionen Euro von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien zusätzlich unterstützt – ein finanzieller wie kulturpolitischer Ritterschlag für die traditionell recht dürftig ausgestattete freie Szene.

In „Claiming Common Spa­ces“ sieht man erste Spuren des Zusammenschlusses. Das Bündnis der sieben Häuser markiert auch eine Trendwende von Konkurrenz und gelegentlicher Syn­ergie im Rahmen der Mangelwirtschaft – Touring von koproduzierten Formaten – hin zu tieferer thematischer und organisatorischer Zusammenarbeit. Hintergrund sind hier auch Vanackeres Erfahrungen im System der freien Produktionshäuser in den Niederlanden. „In den Niederlanden gab es viermal im Jahr Treffen von allen Produktionshäusern. Wir tauschten uns über die Künstler aus, mit denen wir zusammenarbeiteten, und wir verständigten uns über die Kulturpolitik allgemein. Als ich in Deutschland ankam, habe ich mich gewundert, wie wenig Austausch und Solidarität es hier gab“, blickt Vanackere zurück.

Inzwischen aber, so versichert sie, sei der Austausch zwischen den Häusern auf allen Ebenen sehr dicht. Das zusätzliche Geld ermöglicht eigene Programme. Die Bundesmittel verbessern zudem das Standing gegenüber der kommunalen Kulturpolitik. Die freie Szene gewinnt als Player immer mehr Gewicht.

Claiming Common Spaces – Kunst und urbane Praxis, HAU, 21. bis 23. Juni

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