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Archiv-Artikel

Ab in den Aufschwung: Land belebt Städte

Innenstadt-Tristesse, wohin das Auge sieht: Gestern startete Bauminister Oliver Wittke die Bewerbungsphase für die nächste City-Offensive „Ab in die Mitte“. Städte können ihre Projekte bewerben und auf Zuschüsse hoffen. Ob‘s hilft?

DÜSSELDORF taz ■ „Was haben 147 verschiedene Käsesorten im Kölner Hauptbahnhof noch mit Reisebedarf zu tun?“, fragt Lovro Mandac. Der Vorstandsvorsitzende des Kaufhof-Konzerns gehört mit seinem Unternehmen zum Kreis jener Menschen, die „Ab in die Mitte! Die Innenstadt-Offensive“ unterstützen – das Projekt soll wieder Leben ins Stadtinnere bringen. NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) hat gestern die Bewerbungsphase für „Ab in die Mitte! 2006“ gestartet. In einigen Städten ist das Szenario aber nach wie vor düster.

Bestes Beispiel: die an Traurigkeit kaum zu übertreffende Flaniermeile in der Wattenscheider Innenstadt. Wer hier hin kommt, muss ein bizarres Faible dafür haben, in die Schaufenster verwaister Läden zu gucken. Denn zum Einkaufen ist man hier schon lange falsch, zumal wenn man jung ist. Doch Wattenscheid steht nicht allein, das Städtesterben ist ein generelles Problem. Nicht zuletzt, weil sich die großen Ketten in den vergangenen Jahren zunehmend in Konsumtempeln am Rande der Städte ansiedeln, ein Ort, der gerne mit der Tautologie „grüne Wiese“ bezeichnet wird. Oder eben werden Bahnhöfe zu Shopping-Malls mit Zug-Anbindung.

Um genau diesem Trend etwas entgegen zu setzen, wurde „Ab in die Mitte!“ 1999 gegründet. Nach dem Startschuss gestern können die Kommunen bis Anfang November den Landespolitikern die Konzepte unterbreiten, mit denen sie ihre Städte aufhübschen wollen: Kunst-, Kultur-, Freizeitevents – erlaubt ist, was Menschen zieht.

„Ab in die Mitte!“ biete den Unternehmen die Chance, ihre Potentiale besser auszuschöpfen, sagt der Minister, der als ehemaliger Bürgermeister von Gelsenkirchen bestens betraut ist mit Innenstadt-Tristesse. Nachdem sich das Projekt im vergangenen Jahr zum Beispiel an Kinder und Jugendliche richtete, wurde diesmal ein Motto ersonnen, das vor Klämmerchen, Doppeldeutigkeiten und Binnenmajuskeln, den Großbuchstaben im Wortinnern, nur so strotzt: „BürgerUnternehmenStadt – Handel(n) für Qualität“. Bei so viel Deutungsspielraum muss Wittke erklären, was das das Motto bedeuten soll: „Mit diesem Thema möchten wir die Menschen aller Generationen ansprechen und sie ermuntern, sich stärker an der Stadtentwicklung in ihrer Kommune zu beteiligen“, so der Minister. Das Augenmerk liege im nächsten Jahr insbesondere auf dem City-Handel, der sich mit attraktivem Warensortiment und guten Serviceleistungen profilieren könne.

Dazu braucht es natürlich Geld. Eine Jury begutachtet die eingereichten Projekte und entscheidet, wo die Zuschüsse hinfließen. Das Land trägt 60 Prozent der Kosten, in diesem Jahr lag der Betrag bei rund 730.000 Euro. Was noch fehlt, kommt aus den Kommunen oder von Sponsoren. Jens Imorde, Geschäftsführer der für „Ab in die Mitte!“ zuständigen Projekt- und Kulturberatung, lobt das Projekt für seine Nachhaltigkeit: Rund die Hälfte der Veranstaltungen würden auch nach „Ab in die Mitte“ von den Kommunen fortgesetzt. Außerdem habe eine Befragung ergeben, dass etwa 90 Prozent der Einzelhändler „positive Effekte“ verzeichneten. Ist das Projekt also ein Erfolg? Imorde: „Das würde ich unbedingt sagen.“

Peter Schnepper von der IHK Nord Westfalen schließt sich an und spricht von „unglaublichem Elan“, den „Ab in die Mitte!“ frei gesetzt habe. In Schneppers Augen wird durch die Landesentwicklung nur etwas angestoßen, was nachher von alleine weiterläuft. Paradebeispiel sei Bottrop, weiß Schnepper: „Da ist ein Impuls gesetzt worden, die Innenstadt komplett zu verändern.“

BORIS R. ROSENKRANZ