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Historische Unterzeichnung

An der Grenze unterschreiben die Außenminister: Mazedonien bekommt nach Vereinbarung mit Griechenland den neuen Staatsnamen „Nord-Mazedonien“. Doch Nationalisten in beiden Ländern haben damit Probleme

Aus Athen Jannis Papadimitriou

Noch vor sechs Monaten, als Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev erstmals in Davos zusammenkamen, war es undenkbar: In fröhlicher Eintracht unterzeichneten jetzt die Außenminister der beiden Nachbarstaaten am Sonntag ein Abkommen zur Beilegung ihres Namensstreits. „Nord-Mazedonien“ soll der Staat nördlich von Griechenland heißen – und zwar erga omnes (gegenüber allen), wie die Griechen gebetsmühlenartig betonen. Das bedeutet: Nicht nur Athen, sondern alle Länder der Welt sollen die einstige jugoslawische Teilrepublik als „Nord-Mazedonien“ bezeichnen.

Ob es dazu kommt, bleibt jedoch abzuwarten, da über 140 Länder den jungen Staat mit seinem in der Verfassung verankerten Namen „Republik Mazedonien“ anerkannt haben. Genau diese Verfassung will die Regierung in Skopje jetzt ändern. Im Gegenzug verspricht Athen, den Weg des Nachbarstaates in die Nato und die EU nicht mehr zu blockieren.

Es war kein Zufall, dass die Unterzeichnung in der Grenzregion der Prespaseen stattfand. Die Gegend besticht durch Naturschönheit und könnte sich zum Touristenparadies entwickeln. Doch bisher wurden die Prespaseen eher als eine Trennlinie zwischen Hellas und seinen Nachbarn empfunden. Von der Last der Vergangenheit wollten sich Tsipras und Zaev befreien. „Es ist ein patriotisches Abkommen, weil sich dort die Seelen unserer beiden Völker widerspiegeln“ schwärmte Tsipras in seiner Rede. „Wir haben Berge versetzt“, sagte Zaev.

Noch sind die Berge aber nicht versetzt. Denn auf beiden Seiten drohen Konflikte und Proteste seitens der Ewigges­trigen. Am Wochenende kam es vor allem in Griechenland zu heftigen Reaktionen: Am Samstagabend überstand Tsipras einen Misstrauensantrag der konservativen Opposition. Vor dem Parlament hatten sich Hunderte Menschen zum Protest versammelt. Davor wetterte ein Abgeordneter der rechtsradikalen „Goldenen Morgenröte“ gegen die Beilegung des Namensstreits und rief die Armee zum Putsch gegen Tsipras auf. Seitdem wird er polizeilich gesucht. Auch Ex-Ministerpräsident Antonis Samaras griff Tsipras wegen angeblicher Nachgiebigkeit scharf an: „Sie unterzeichnen alles, sie geben alles, um Ihren Stuhl zu retten“, monierte der einstige Konservativenchef.

Auf der anderen Seite der Grenze lauern Bedenkenträger der nationalistisch-konservativen Oppositionspartei VMRO. Bereits am vergangenen Wochenende waren Tausende zu einer Protestkundgebung zusammengekommen. In nächster Zeit werden sie wohl noch lauter, da Zaev das Abkommen durch das Parlament in Skopje bringen und eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung abhalten muss.

Rückenwind erhalten die national Gesinnten in Skopje von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, der in einer Videobotschaft die VMRO-Führer lobt, weil sie sich „dem Druck ausländischer Mächte nicht beugen“. Damit sei Orbán „eine traurige Ausnahme in Europa“, moniert Dimitrios Papadimoulis, Vizepräsident des EU-Parlaments.

Erst nach der Volksabstimmung in Skopje soll die griechische Regierung das Abkommen ihrerseits durch das Parlament bringen. Ein kluger Schachzug, der Tsipras wertvolle Zeit gibt. Denn: Sein Juniorpartner, die rechtspopulistische ANEL-Partei, will nicht für den Mazedonienkompromiss stimmen. Damit hat Tsipras keine eigene Mehrheit, um sein „patriotisches Abkommen“ zu verabschieden, und ist auf Stimmen der Opposition angewiesen. Einiges spricht dafür, dass die Sozialisten ihn unterstützen – wenn sie erst einmal ihre eigenen Zerwürfnisse in der Mazedonienfrage überwinden.

Nach dem Zerfall Jugosla­wiens hatte sich Griechenlands nördlicher Nachbarstaat unter dem Namen „Republik Mazedonien“ für unabhängig erklärt. Griechenland beansprucht den Namen für sich und befürchtet Gebietsansprüche auf seine gleichnamige Provinz. Seit dem Linksruck in Athen und Skopje bemühten sich beide verstärkt um die Beendigung des Streits.

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