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Archiv-Artikel

berliner szenen Arsch

Auf Wohnungssuche

Die Wohnung in der Lenau ist ein Traum. Das Alternativangebot wäre zwar kein Albtraum, aber eine Übergangslösung – üble Adresse mit Blick auf Karstadt am Herrmannplatz. Die würden wir kriegen, nur weil wir geradeaus gucken können, ohne lang hinzuschlagen.

In der Traumwohnung wirken wir nett und zuverlässig. Zuverlässigkeit ist das Wichtigste – das wollen die Leute sehen. Viele besichtigen die tolle und gar nicht mal so teure Wohnung – fast jeder füllt einen Bogen aus. Auch dabei wirken wir zuverlässig, ebenso beim anschließenden Gespräch mit dem Dealer. Zuverlässigkeit spricht aus jeder unserer Gesten und jedem unserer Worte. Zuverlässigkeit spricht aus unseren persönlichen Daten und unseren Knopflöchern. Wir wollen die Wohnung haben: Zum Abschied geben wir Dealer und Vormieterin das Pfötchen.

Am nächsten Tag rufe ich an, um meine Handynummer nachzureichen: Wer gar nicht auffällt, hat schon verloren, und mehr kann auch nicht verlieren, wer schlecht auffällt. „Ja, ich fand Sie sehr ansprechend“, meint der Dealer, „und den Vormieterinnen haben Sie auch gefallen.“ Wir sollten doch schon mal die nötigen Papiere beschaffen, „bis Montag dann“.

„Wer sind Sie?“, fragt er am Montag. „Helfen Sie mir auf die Sprünge.“ – Ich helfe. – „Wir haben heute noch eine zweite Besichtigung“, sagt er, „Sie bekommen morgen Vormittag Nachricht.“ Dienstag um halb eins rufe ich selber an. „Ich bin gerade in einer Besprechung“, sagt der Dealer, „es hat leider nicht geklappt.“ Nicht mit dem Anrufen, nicht mit der Wohnung, nicht mit seiner Zuverlässigkeit. Die ist eh für ’n Arsch, den wir mal wieder umsonst hingehalten haben, mit Blick auf Karstadt am Herrmannplatz. ULI HANNEMANN