: Waden der Nation
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Der Körper des englischen Nationalstürmers Raheem Sterling ist übersät mit Tattoos. Sterne und ein Kreuz prangen auf seiner Brust, ein Bild seiner Tochter Melody Rose ziert den linken Oberarm, darunter blickt ein kleiner Junge ehrfürchtig mit Ball in der Hand aufs legendäre Wembley-Stadion. Mit seinem neuesten Motiv hat Sterling im Mutterland des Fußballs allerdings heftige Diskussionen ausgelöst. Über fast die gesamte Länge seiner rechten Wade hat sich der 23-Jährige ein M16-Sturmgewehr stechen lassen, wie ein Instagram-Post des 23-Jährigen vom WM-Trainingslager der Three Lions zeigt; das M16-Sturmgewehr des Herstellers Colt ist die Ordonnanzwaffe der US-Streitkräfte. „Wir fordern, dass er das Tattoo weglasern lässt oder es mit einem anderen überdeckt“, sagte Lucy Cope, die nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes im Jahr 2012 die Gruppe „Mütter gegen Waffen“ gegründet hatte, der Boulevardzeitung The Sun: „Wenn er sich weigert, sollte er aus dem englischen Nationalteam geworfen werden.“ Auch TV-Moderator Piers Morgan (CNN) echauffierte sich: „Holt die Waffe von seinem Bein“, schimpfte er auf Twitter und fragte: „Ist es o. k., wenn ein Spitzensportler ein großes Sturmgewehr auf seinem Bein trägt, während mit den gleichen Waffen Kinder in Schulen unbarmherzig massakriert werden?“ Beide hätten sich erst einmal anhören sollen, was Sterling dazu bewog, sich ein derart martialisches Tattoo stechen zu lassen: „Als ich zwei Jahre alt war, starb mein Vater, weil er niedergeschossen wurde. Ich habe mir selbst das Versprechen gegeben, dass ich in meinem ganzen Leben keine Waffe anrühren werde. Ich schieße nur mit meinem rechten Fuß, deshalb hat es eine tiefere Bedeutung“, schrieb er in einem Instagram-Post, den er jedoch kurz darauf löschte. Raheem Sterling ist nicht der einzige Fußballer, der sich erklärungsbedürftige, lächerliche, absurde oder kitschige Motive auf den Körper hat stechen lassen. Es gibt seit etwa zehn Jahren einen regelrechten Wettbewerb des Ego-Brandings, selbst brave Typen wie Toni Kroos laufen mittlerweile als Plakatversionen ihrer selbst herum. Tattoos sind so verbreitet, dass es heutzutage schon wieder ein Statement (der Selbstbeherrschung) ist, keins zu tragen. Aber die Kicker schmücken sich mit den durchaus teuren Tintenstichen, um den Fans und vermutlich auch sich selbst – Stichwort: Selbstvergewisserung – eine Biografie in Bildern zu liefern. Das ist trivial und leider nicht immer selbsterklärend, weswegen man sich schon mal wundern darf, warum ein englischer Nationalspieler mit dieser Mordwaffe herumspaziert, einem Schnellfeuergewehr, das nach den Amokläufen in den USA geächtet und dessen Verkauf an Privatpersonen in den Vereinigten Staaten verboten werden sollte. (mv)
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