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Im Geiste der Pflaume

Tiefe Trauer um Berliner Narkosestübchen

Foto: Narkosefoto: dpa

Und wieder ist ein wahres Lokal von uns gegangen: das Narkosestübchen in Berlin-Schöneberg. Satte achtzehn Jahre ist es her, dass die winzige, heimelige Kneipe auf dieser Seite im Rahmen der weltberühmten Serie „Wahre Lokale“ porträtiert wurde (Die Wahrheit v. 8. März 2000): „Das Narkosestübchen ist ein Berliner Lokal, etwa so groß wie ein Eisenbahnabteil. Der Gast findet hier das Brot der frühen Jahre. Alte Männer sitzen vorm Tresen oder an winzigen Tischen, um beim Herrenbier die Welt neu zu ordnen.“ Der Chefanästhesist aber kredenzte allen Neuankömmlingen erst einmal einen Pflaumenschnaps, damit sie auf die richtige Betriebstemperatur kamen. Selbst Joachim Gauck, der um die Ecke wohnte, soll angeblich hier gesichtet worden sein. Jetzt ist, wie der Tagesspiegel am Dienstag berichtete, der Wirt des Stübchens im Alter von 59 Jahren überraschend gestorben: „Dieter, Dieter, warum hast du uns verlassen?“, habe jemand an die heruntergelassenen grauweißen Rolladenlamellen geschrieben. In tiefer Trauer und im Geiste der Pflaume gedenkt Die Wahrheit deshalb hier ein letztes Mal diesem kleinen großen Ort des Suffs: dem einzig wahren Narkosestübchen.

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